Der Januar 2052 ist schon vorbei und nicht eine der 33 Weltstädte habe ich zerstört. Dieser Satz könnte aus dem Tagebuch eines Bösewichts sein. Einer vom Format, wie ihn nur DC und Marvel sich ausdenken könnten? Von wegen. Bei Carbon Warfare bist du derjenige, welcher die Welt in eine lebensfeindliche Wüste verwandelt. Die heute frisch erschienene Simulation der GameSourceStudios ist kein Kriegsspiel, kein knalliger Actiontitel. Vielmehr übernimmt der Spieler die Rolle einer bösen Organisation, deren Ziel es ist, den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid derart zu erhöhen, dass der Klimawandel unumkehrbar wird. Das erinnert vom Aufbau her an ein ähnliches Disastergame, nämlich Plague Inc. Hat hier aber einen wesentlich ernsteren Hintergrund mit politischen Zwischentönen.
CO2, SUV und COP. Meeresspielanstieg, Katastrophen, oh jemine! Obwohl… den RAP-Reim muss ich unterbrechen. Der Herr aus der Bibel hat mit dem Spielgeschehen nicht viel zu tun, wenn es sich auch wie eine Göttersimulation à la Populous anfühlt. Unbegrenzter Spaß. Weltweit darfst du von Europa bis Asien, Afrika bis Amerika den Bösewicht spielen. Doch gleich vorweg noch der Disclaimer, dass es hier um ein ernsthaftes Anliegen geht. Ein durchaus noch umstrittenes. Wir wollen uns deshalb Carbon Warfare mal als Spiel anschauen und keine Wertung zur transportierten Message vornehmen. Klimaschützer und Klimakritiker mögen die Diskussion in ihren Foren führen. Das Spiel selbst wurde laut Entwickler mit der Hilfe vom Experten Yoram Bauman erstellt und soll realistisch dargestellt sein. Also selbst, wenn die Prämissen nicht stimmen sollten, sind die systemischen Wechselwirkungen für jeden Spieler eine lehrreiche Unterhaltung. Oder man könnte auch sagen, die Umsetzung von Dörners „Die Logik des Mißlingens“ als App.
Gameplay der App Carbon Warfare
Vor dir liegt die Erdkugel. Du hast nicht Google Earth gestartet. Die in die Kontinente eingeteilte Welt lässt sich nur begrenzt zoomen, der Balken rechts stellt keine Größenskala dar. Hier wird die durchschnittliche Temperatur auf der Welt abgebildet und dein Ziel ist es sie zu erhöhen. In Carbon Warfare hast du als Spieler das Ziel, die Welt so zu beeinflussen, dass sie an globaler Erwärmung zu Grunde geht. Dazu investiert in Projekte, deren Umweltverschmutzung dadurch weiter gesteigert wird, oder erkauft sich Medien-Kampagnen, um das Bewusstsein der Bevölkerung über Emissionen zu schwächen. Diese beiden Pole sind es, welche es zu managen gilt. Einerseits muss man auf den Kontinenten in Technologien wie Fracking oder eben übergroße Autos und Häuser investieren. Anderseits muss man dafür sorgen, dass die Bevölkerung vom Klimawandel nichts mitbekommt bzw. Kohle als saubere Energiequelle ansieht. Man darf z.B. den Schornstein eines lokalen Heizkraftwerkes mit bunten Farben verzieren. Oh, falsches Blog. Jeder der Maßnahmen für mehr CO2-Ausstoss erhöht jedenfalls auch die Awareness der Bevölkerung. Wenn sie zu weit steigt, dann gibt es Initiativen gegen dich. Umgekehrt wird der erfolgreiche Spieler ab 2 Grad Erderwärmung in die Lage versetzt elf unterschiedliche Katastrophen zu starten.
Tipp: Um schneller zu gewinnen, sollte man anfangs bei den Investments immer schauen, was mehr Profit bringt. Erst danach lohnt sich die Steigerung der Emissionen, welche mit der gesteigerten Aufmerksamkeit und den Gegenmaßnahmen einhergeht. Das ist wie beim Virusspiel. Nicht sicher bin ich, ob man zuerst sich auf einen Kontinent konzentrieren sollte oder überall zuerst die einfachen Maßnahmen startet.
Das Spiel teilt sich in drei Phasen: Investition und Verdienst, Start von dynamischen Prozessen und Ende. Neben einem Tutorial gibt es fünf weitere Szenarien mit je drei unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Diese anderen Welten kann man freispielen oder kaufen. Man benötigt z.B. vier zerstörte Erden für „Nature Fury“, welche im Kauf so um die 50 Cent kosten. Da bereits die App 3 Euro auf iOS kostet, finde ich das eher unpassend.
Grafisch ist das Spiel sehr gut gemacht. Vom Setting her würde ich mir etwas mehr Tiefe wünschen. So startet das Spiel unvermittelt ohne Intro. Allein ein kleiner Ausschnitt aus einer möglichen Zukunft wäre stimmungsvoll. Es gibt nur ein Savegame und die Nachrichten sind als einfache Bilder dargestellt. Videos wären cool, ebenso Sprachausgabe. Toll wäre außerdem ein umgekehrter Modus, bei welchem man die Welt versucht zu retten.
Das Ende
Im Juni 2060 wurde „endlich“ New York zerstört. Danach ging es alles recht schnell zu Ende. Was die App beängstigend macht, ist die selbstbeschleunigende Entwicklung ab einer bestimmten Stufe. Und insgesamt ist es recht einfach die Welt zu zerstören. Man merkt wie „dünn das Eis ist“, auf welchem wir uns bewegen. Der Lerneffekt über solche Prozesse ist also definitiv gegeben. Anders als bei der bereits genannten Krankheits-Apokalypse fühlt sich Carbon Warfare auch nicht ganz so morbide an: sind doch nur Städte, die Leute können doch ins Inland ziehen! Oh, Kansas wurde gerade durch eine Dürre in eine Wüste verwandelt? Hoppla.