Heute ist Silvester! Herzlichen Glückwunsch, ihr habt wieder ein Jahr auf die Nominierung für den Darwin Award verzichtet. „Von wegen? Ein paar Stunden hat das Jahr 2017 ja noch? Und jetzt erstmal einen Glühwein zum Aufwärmen!“ Neben Weihnachten, Ostern, Oktoberfest, Weihnachtsmarkt, Kirmes, Frühlings- und Herbstfest sowie diversen anderen Festlichkeitsterminen bietet auch der Jahreswechsel den trügerischen Rahmen, um es beim Alkohol zu übertreiben. Vom Rausch des kostenfreien Getränkeangebots auf Firmenfeiern und Events rund um Messen und Abendveranstaltungen mal ganz abgesehen. Und dann gibt es ja noch das obligatorische Bier zum Schnitzel und der Weißwurst, den Wein zur Pasta und Pizza, nochmal ein Bier zum Feierabend oder das Pendant beim Frühschoppen, die Cocktails am Pool, das Begrüßungsgetränk beim Besuch oder zum Abschied, den Sekt nach einem Sieg, die Bierdusche… hoppla, unsere Gesellschaft hat ja mehr anerkannte Konsum-Gelegenheiten geschaffen als auf meine Leber passen. So negativ wollen wir das Jahr nicht ausklingen lassen, vielmehr mit einem konstruktiven App-Tipp. Dieser stellt keine Überraschung dar, wohl aber erforderte er etwas Store-Recherche. Denn unter der Fülle der von Hobbyisten recht schnell gemachten Promille Rechner, Spaßapps mit angeblicher Atemkontrolle per Mikrofon und Alkohol-Apps gibt es mit dem Trinktagebuch eine hochwertige Ausnahme mit Langzeiteffekt.
Das Trinktagebuch ist keine App für einen Abend und auch keine jener hippen Wassertrinkerinnerungen. Wer also für den heutigen Silvesterabend mal schnell wissen möchte, wie viel er noch trinken darf, um Auto zu fahren, der ist hier an der völlig falschen Adresse. Da sage ich nämlich, solange es keine selbstfahrenden Autos und Trageroboter gibt, dass du unterwegs so viel trinken kannst wie du willst. Wasser, Cola, Saft. Und garantiert nicht „nur ein kleines Bier“. Sagt auch die App. An dieser Stelle also gleich auch der Disclaimer aus der Storebeschreibung: „Alkoholkonsum ist immer risikobehaftet.“ Übrigens hätte ich da eine Idee für eine Minispiel-App, welche das Thema wesentlich anschaulicher machen würde, wenn ich da so an die Autobahnschilder denke, welche es hier und da auch recht makaber versuchen ins Bewusstsein zu rufen.
Also: natürlich kannst du dir schon jetzt die App laden, um deinen heutigen Konsum einzutragen und deinen Grenzwert zu checken. Jedoch berechnet die App nicht, ob du noch gesellschaftsfähig bis. Das Auto lassen wir mal ganz stehen.
Also keine App für einen Abend. Vielmehr stellt das Trinktagebuch eine Hilfe dar, generell weniger Alkohol zu trinken. Und auch das passt ja irgendwie zum Jahreswechsel, was so Vorsätze angeht. Und irgendwann kann man ja mal anfangen. Das Thema Alkoholkonsum ist kein Spaßiges. Ich erspare euch hier mal Statistiken und weiteren Ausschmückungen. Es gibt da im Film Flight eine sehr eindrucksvolle Szene, in welcher Denzel Washington als Pilot versucht abstinent zu bleiben vor der Gerichtsverhandlung. Einfach mal anschauen.
Vorstellung der Trinktagebuch-App
Herausgeber ist die „Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V.“ und wer unten mal auf die Version schaut, der sieht eine Aktualisierung zuletzt 2015 auf Android, während man bei iOS im Juli dieses Jahres für die Lauffähigkeit gesorgt hat. Das wirkt etwas müde, jedoch habe ich bei meinem Check unter Android 7 keine Probleme oder Abstürze mit der App gehabt und es gibt auch keine Dienste, welche veraltet sind. Die App ist komplett werbefrei und ohne In-Apps, da sie neben dem genannten Herausgeber durch eine Förderung der BKK finanziert werde.
Start: Begrüßt wird man vom Trinktagebuch mit einem Glückwunsch. Es sei eine gute Enscheidung, den eigenen Trinkkonsum mal zu checken, wie viel man trinke und wann. Zuerst richtet man ein Profil ein, lokal für die Berechnung und ohne Anmeldung an einem Server. Das Alter startet politisch korrekt bei 18, könnte man wohl aber schon ab 16 zulassen. Die Box „Schwangerschaft“ könnte man noch ausgrauen bei der Auswahl „männlich“. Zudem kann man angeben, ob man krank ist oder Medikamente nimmt. Hier gibt es zu jedem Punkt nochmal einen Hinweis und Wissenshintergrund. Zuletzt kann man noch den Grenzwert in Gramm pro Tag und die Anzahl abstinenter Tage festlegen. Mit 24 g und zwei Tagen ist man bei der offiziellen Richtgröße, wobei der Hinweis von oben gilt, wonach es individuell sehr unterschiedlich sein kann, was „relativ risikoarmer Konsum“ bedeutet. Achja, mit zwei Bier ist man schon am Grenzwert. Maximal kann man 50 g einstellen, was gerade einmal vier Bier mit 0,33 l entspricht. Krass, wenn man da mal Beobachtungen auf dem Oktoberfest gemacht hat. Kleine Kritik: In den Einstellungen fehlt mir ein Button „speichern“. Wenn man den Grenzwert eingestellt hat, dann muss man auf „Zurück“ gehen, was nicht besonders intuitiv ist.
Alltäglich kann man nun wie in einem Ernährungstagebuch auch die konsumierten Getränke eintragen. Einfach aus einer Liste auswählen, die App macht den Rest. Eigene Getränke lassen sich definieren. In Charts zeigt das Trinktagebuch nun an, was man konsumiert hat und ob man unterm Grenzwert liegt. Das geht für den aktuellen Tag, sodass man die App auch als Check auf Party und Co durchaus nutzen kann. Der Sinn ist aber wie gesagt, über Wochen hinweg mal zu schauen, was man so trinkt und ob man vielleicht zu oft und ohne es zu merken über seine Grenze geht. Gerade was Regelmäßigkeit und Dosis angeht. Man kann sich täglich auch erinnern lassen den Konsum einzutragen. So eine Objektivierung hilft mitunter die ersten Anzeichen einer Sucht oder sehr schlechten Gewohnheit zu erkennen, schärft vielleicht auch nur das Bewusstsein, wie schnell man an der Grenze ist mit zwei Bier. Gerade an dieser Stelle halte ich mich mit einer Wertung mal zurück. Ein Menü mit vielen Informationen zum Alkohol und seinen Risiken ist vorhanden. Weiterhin gibt es wie in einer Broschüre auch Adressen von Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen. Auch hier habe ich eine kleine Kritik – die Darstellung in Textform ist sowas von nicht zielgruppengerecht, was Jugendliche angeht.
Check-Urteil: Insgesamt ist das Trinktagebuch eine gute App. Sie ist kostenfrei und inhaltlich hochwertig gemacht. Allerdings bin ich mit der Darstellung nicht ganz so zufrieden. Sie wirkt etwas zu lieblos gemacht, was die Programmierung angeht. Zu sehr wie eine App für diejenigen, welche schon den festen Entschluss haben weniger zu trinken. Dadurch wird sie gerade für die jüngere Zielgruppe uninteressant. Hier fehlt es eindeutig an einem Gegenentwurf zum Johnny Walker Moorhuhn. Ich hätte da wie gesagt schon ne Idee… *hehe*.