Aus der Entwicklerschmiede inkle Ltd. entstammt ein aktuell sehr erfolgreiches Storytelling-Adventure namens „Sorcery!“, in welchem ihr für eure Handlungen komplett selbst verantwortlich und nahezu frei in euren Entscheidungen seid. Es basiert auf der Buchreihe von Steve Jackson, welche zwischen 1983 und 1985 von Penguin Books veröffentlicht wurde. In dem interaktiven Abenteuerspiel bestimmt ihr aus den gegebenen Auswahlmöglichkeiten, wie euer Held sich verhält, wohin er gehen soll (meistens gabelt sich der Weg irgendwo) und wie er sich in kritischen Situationen verhält: Provokativ, beschwichtigend, aggressiv, passiv, ob er Magie nutzt und so weiter. Dafür müsst ihr aber auch die Konsequenzen tragen…
Ich hätte nie gedacht, dass mich ein Spiel wie dieses derart fesseln könnte. Mal ganz abgesehen davon, dass Sorcery! leider nur auf Englisch verfügbar ist. Der Spieler benötigt wirklich ein passables Englisch, um halbwegs zu verstehen, was da passiert und um entspannt in die Geschichte eintauchen zu können. Die Umgebungseffekte sind der Hammer. Passend zur jeweiligen Umgebung, die mit den Worten gezeichnet wird, ertönen Klänge, die dich in diese Umgebung eintauchen lassen. Wer die Traumsequenzen aus „Lost Odyssey“ kennt und da ebenfalls schon schluchzend davor saß, weil es einfach so genial mitreißend geschrieben und untermalt wurde, hat eine Vorstellung davon, wie „Sorcery!“ die ganze Zeit über ist.
Man merkt, dass hier richtige Profis am Werk waren. Die Gründer von inkle Ltd. können bereits einen ansehnlichen Lebenslauf vorweisen und haben mit „Sorcery!“ ein absolut professionelles Spiel geschaffen.
Erste Schritte in der Welt von Sorcery!
Zunächst wählt ihr euer Heldengeschlecht aus. Ich habe mich logischerweise für das weibliche Geschlecht entschieden, glaube aber nicht, dass es einen Unterschied macht (von den Spielerwerten ausgehend). Auffallend ist die bunt gezeichnete Karte, auf der ihr euren Helden bewegt. Zunächst erwacht unser Charakter aus einem Traum, der einen Vorgeschmack auf den restlichen Spielverlauf gibt. Die Identifikation mit dem Helden ist bei mir von Beginn an sehr hoch gewesen. Am gleichen Tag will unser Charakter seine Reise beginnen, um die legendäre Krone der Könige zu finden.
Die Umgebungsgeräusche passen sich immer den aktuell im Text wiedergegebenen Umständen an. Mal zwitschern die Vögel, mal plätschert das Wasser, Türen knarren, Büsche und Baumkronen rascheln und in vollen Tavernen ist es schon mal etwas lauter. Aber bevor dem Spieler das alles bewusst wird, bekommt er die grundlegenden Dinge kurz erklärt. Das Kampfsystem kann auf dem Trainingsgelände getestet werden. Danach wird unser Held auch wieder geheilt.
Vom Prinzip her ähnelt das Kampfsystem in „Sorcery!“ dem „Schere, Stein, Papier“-Prinzip. Durch den Text erhältst du Hinweise (mal mehr, mal weniger ausgeprägt), was der Gegner als nächstes plant zu tun. Du kannst in die Defensive gehen, wohl dosiert angreifen oder einen kraftvollen Schlag ausführen. Letzterer kann durch einen in der Defensive gegangenen Gegner stark abgeschwächt werden (auf maximal 1 Schadenspunkt) oder durch einen stärkeren Angriff des Gegners hohen Schaden beim Helden riskieren. Minimale Angriffe reichen hingegen bei in die Defensive gegangenen Kontrahenten aus, um ihnen den maximal möglichen Schaden in der Defensivhaltung (1) zuzufügen. So regeneriert der Held außerdem auch Ausdauer und kann im nächsten Zug wieder härter zuschlagen. Gehen beide Gegner in die Defensive, ist es eine Nullrunde für beide. (Da keiner Ausdauer verliert.)
Um Ausdauer zu regenerieren, müsst ihr essen und schlafen. Eine Ration für Unterwegs regeneriert übrigens gerade mal einen Ausdauerpunkt. Da ich erwartet hatte, dass sich mit der Ration mehr Energie wiederherstellen lässt, habe ich zu Beginn lediglich 2 Rationen eingepackt für den Weg. Mittlerweile würde ich zu 3-5 tendieren. 🙂 Und nehmt um Himmels Willen das Gold an, welches euch zu Beginn angeboten wird. Ihr werdet es brauchen!
Ohne Ausdauer wird der Held nicht weit kommen, also setzt eure Energie weise ein. Kämpfe zehren stark an den Kräften, aber auch Zaubersprüche kosten Ausdauerpunkte. Die stärksten Sprüche (ZAP, HOT, WAL, FOF, LAW, DU~) kosten 3 Ausdauerpunkte, die meisten anderen nur einen und sollten daher möglichst eher genutzt werden als die starken Sprüche. Man weiß schließlich nicht, wann das nächste Essen auf den Tisch kommt und ob man es sich überhaupt leisten kann. Eine Ration regeneriert übrigens gerade mal einen Ausdauerpunkt.
Sorcery! ohne Zauberei wäre wie ein Drache ohne Flügel: Er kann zwar Feuer spucken, sieht dabei aber nicht annähernd so anmutig aus
Das Zauber-System von Sorcery! finde ich unheimlich faszinierend. Es wird im Text beschrieben, als würde der Held in die Sterne greifen und so in etwa sieht es auch aus. Aus dieser leuchtenden Buchstabenkugel sucht ihr euch dann euren Zauberspruch zusammen, wobei es immer verschiedene Möglichkeiten gibt. Ich habe mir nur die wichtigsten in ein richtiges Notizbuch abgeschrieben, damit ich nicht immer erst im Menü auf das Zauberbuch zugreifen muss, während eine actionreiche Umgebung eigentlich eine zügige Handlung erfordert (natürlich könnte man sich auch Zeit lassen, da Sorcery! kein Echtzeitspiel ist, aber irgendwie drängt es einen innerlich dennoch zur Eile). Da Konflikte auf verschiedene Arten gelöst werden können und der richtige Zauberspruch hier keine unerhebliche Rolle spielt, probiert unterschiedliche Buchstabenkombinationen aus. Beginne mal mit dem einen Buchstaben, mal mit einem anderen und schau, was passiert. Bevor der Spruch gesprochen wird, erhältst du eine kurze Beschreibung, was für ein Spruch das ist, was er bewirkt und wieviel Ausdauerpunkte er den Helden kostet.
In einer Situation lernte ich dadurch den für mich bisher unbekannten Spruch „Pop“ kennen, welcher Explosionen auslöst. Damit habe ich einen Goblin niedergewalzt. 😉
Immer, wenn ihr euren Held auf der Karte bewegen wollt, müsst ihr ihn zur nächsten Wegmarke ziehen. Die andere Option verfällt dadurch meistens. Eine gepunktete Linie zeigt an, dass der Held sich dahin bewegt. An der Wegmarke angekommen, erwartet den Spieler wieder ein Text und die Beschreibung der Umgebung, manchmal auch Rätsel oder gar nichts. Scheitert man an einem Punkt und denkt: „An der Stelle weiter vorne in der Geschichte hätte ich mich anders entscheiden sollen…“, kann das nachträglich getan werden. Ihr müsst dazu allerdings den Fortschritt bis zu der Stelle opfern, an die ihr zurück springen wollt. Dazu müsst ihr die entsprechende Wegmarke antippen und dann seid ihr wieder an der Stelle der Geschichte von Sorcery! – und könnt euch beim nächsten Versuch anders entscheiden.
Meine Entscheidungen haben mich beispielsweise ein Mal direkt in den Kochtopf von Wilden geführt… Da lief definitiv an einem der vorhergehenden Wegpunkte etwas GANZ falsch. 😉
Fazit zur Sorcery! App
Ich habe das Spiel bisher noch nicht ganz durch, aber es wird mich definitiv noch eine Weile fesseln. Durch die vielen Möglichkeiten reizt es mich, das Spiel am Ende von vorn zu beginnen und einen komplett anderen Weg zu gehen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass ich so nochmals neue Storyelemente und Hintergründe erhalte. In den Appstores werden jedoch Stimmen laut, dass es für den Preis viel zu kurz sei. Andere fasziniert der Wiederspielwert ebenso wie mich und sie freuen sich auf kommende Teile.
Sorcery! ist eine Art interaktives Buch, in dem der Leser wesentlichen Einfluss ausüben kann. Wie oft möchte man in Büchern die Protagonisten schütteln und anschreien, wenn sie mal wieder etwas falsch machen? Hier könnt ihr euren Helden handeln lassen, so wie ihr es möchtet. Müsst dann aber gegebenenfalls auch die Konsequenzen daraus tragen. 🙂 Weiterhin könnte man es als fortschrittliche Neuauflage der Browser-RPG’s von vor einigen Jahren sehen, in denen man sich ebenfalls auf die Reise begab und je nach örtlichen Begebenheiten nach Lösungswegen suchen musste. Das ging ungefähr so:
„Du stehst in einem Wald und der Weg gabelt sich an einer Eiche. Was willst du nun tun?“
a) Den rechten Weg nehmen. -> Du kommst an einem laut plätschernden Wasserfall vorbei und kannst gerade noch hinter einen Baum in Deckung schlüpfen, als eine Gruppe Goblins aus einer Höhle hinter dem Wasserfall gesprungen kommt. Was willst du tun? -> a, b, c, d zur Auswahl und so weiter.
b) Den linken Weg nehmen. – > Nach ungefähr 500 Metern stellst Du fest, dass dieser Weg eine Sackgasse ist.
c) Am Baum rasten. -> Du setzt dich an den Fuß des Baumes und machst ein Nickerchen. Dies erweist sich als Fehler, da du so den ankommenden Bären nicht gehört hast…
d) Umkehren. -> Du drehst dich um und siehst einen hungrigen Bären auf dich zulaufen. Schnell ziehst du dein Schwert und verteidigst dich. Doch im Kampf gegen ihn erweist er sich als übermächtiger Gegner, dem du letztlich leider unterliegst.
Ungefähr so ist auch Sorcery!, nur mit besseren Wahlmöglichkeiten, tolleren Texten, einer schöneren Story und tatsächlichem Handlungsspielraum, anstelle von Scheinauswahlmöglichkeiten. Jede Handlung hat seine Konsequenzen.
Insgesamt soll Sorcery! im Übrigen eine 4-teilige Reihe sein, so dass die Fans sich bestimmt schon auf die weiteren Teile freuen. Allen anderen Rollenspiel-Fans empfehle ich dringend zu diesem Spiel, sofern ihr Englisch beherrscht und ihr gern Bücher lest.
Sorcery! 2 ist bereits für iOS erschienen und ich habe es mir schon einmal angeschaut. Das App Review hierzu folgt nächste Woche.