„Nehmt eure Hefte raus, wir schreiben heute eine Arbeit.“ Sätze, welche bei dem ein oder anderen unvorbereiteten Schüler spontane Krankheitssymptome auslösen oder Erinnerung wach werden lassen. Um besser vorbereitet zu sein oder solche Alpträume mit einer Hoffnung zu kurieren, eigene Kinder nicht unter Angst leiden zu sehen, dafür gibt es eine App. Sprachen per App übersetzen und zu lernen, das geht. Hier gibt es schon innovative AR-Ansätze wie bei Wordlense. Eine Sprache wird von diesen aber nicht übersetzt, obwohl sie sogar universell ist. Die Rede ist natürlich von der Mathematik. Ein Wort, was bei vielen wohl hauptsächlich für Schule und Universität steht und für den Alltag keine so große Relevanz hat. Obwohl das auch mir so geht, hat mich die App PhotoMath, welche es für iOS und Windows Phone (Android: Anfang 2015) gratis gibt, mit ihrem AR-Ansatz neugierig gemacht. Formeln und Rechenaufgaben einscannen und lösen per App, klingt interessant.
PhotoMath verspricht allen Mathematik-Analphabeten eine Erleichterung. Per Smartphone-Kamera erkennt die App (gedruckte) Formeln und löst sie. Das will ich testen. Also fange ich mal bei den Abituraufgaben 2014 aus dem Bundesland Bayern an, die sollen schwierig sein. Schon auf der ersten Seite steht hier bedrohlich „Hilfsmittel nicht erlaubt“, wie gern würde ich diese Regel brechen. Tatsächlich finde ich hier aber keine passenden Herausforderungen für die App, ggf. verstehe ich auch nicht mehr ganz, was die da genau wissen wollen. Aber das Abiwissen darf man ja auch vergessen. Passende Aufgaben für die App zu finden, gar nicht so einfach, wenn man nicht im Stoff steht. Einfache Aufgaben wie 1+1 probiere ich nicht erst, das geht sicherlich und das Kopfrechnen möchte ich mir nicht abnehmen lassen. Wie sieht es mit einfacheren Formeln aus? Diese nutzt man selbst auch ab und zu ganz gern im Alltag, um z.B. Umrechnungen durchzuführen, Versicherungen nachzurechnen oder einen Verbrauch zu bestimmen und da ist Hilfe nicht schlecht. Also hole ich mir Quadratische Gleichungen aus dem Niveau Realschule 9. Klasse, um sogleich testen zu können, ob die App für Schüler interessant ist.
Die passenden Aufgaben sind also gefunden und lauten etwa: „4+12x = -5x“. Mh. Könnte ein Bruch rauskommen. Die App löst das Problem sehr schnell. Erkennt die gedruckte Vorlage ohne Problem und übersieht alles herum, was nicht zur Formel gehört. Den Kugelschreiber sowieso, aber auch die Fragennummerierung. Sie zeigt mir die Lösung an und gibt mir die Aufforderung die drei Lösungsschritte anzuschauen. Nice. Es gibt noch viel kompliziertere Gleichungen auf der Seite. Alle werden erkannt und aufgelöst. 9 von 9. Alle Erklärungen sind leicht nachvollziehbar und helfen somit nicht nur das Ergebnis zu finden, sondern auch Mathe zu verstehen. Um zu erklären, weshalb man eine Gleichung aber nach diesen Schritten löst, um die Regeln zu erlernen braucht es weiterhin ein Buch oder Lehrer.
Fazit: „Nehmt alle euer iPhone/Lumia heraus, heute üben wir PhotoMath zu bedienen.“ Ein Satz, welcher wohl noch zu futuristisch ist. Schließlich haben bereits Abituraufgaben die Grenzen der Technik vorgeführt. Komplexe mathematische Gleichungen wie sie Leonard bei Big Bang Theory im Sinn hatte (Folge 12, Staffel 4) sind damit nicht lösbar. Die App zeigt vor allem, dass man vor Mathe keine Angst haben muss und mit etwas Erklärung jeder diese universelle Sprache verstehen kann. Für Schüler bis zur 9. Klasse und alle Alltagsmathematiker dürfte die App jedoch die erste Wahl sein, wenn der Kopf mal wieder raucht. Zwar kann die App nicht mehr als ein fortgeschrittener Grafiktaschenrechner, bietet aber ein besseres Interface. Zudem verspricht der Entwickler weitere Updates und Funktionserweiterungen, welche bestimmt spannend werden.
Update, März 2015: Jetzt ist die App auch für Android verfügbar!