Heute stelle ich euch einfach mal nicht ein Spiel vor. Nope. No. Nein. Non. Ingen. Und nö. Etwas Abwechslung tut gut. Aber auch ein vorgestelltes Gadget wird euch in diesem Artikel nicht unter die Leselupe kommen. Da muss ich euch enttäuschen, so ungern ich das auch tu. Bitte lest diesen Artikel also nicht weiter… im Ernst…
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Ihr seid noch da? Ok, ich bin erleichtert und gleichzeitig war das schon der erste Test, ob der Tipp heute etwas für euch sein könnte. Deswegen teile ich ihn sogleich mit euch – ein Spielvergnügen der anderen Art, für kleine Widerborste und ausgewachsene Anarchisten, die gern das Gegenteil von dem tun, was ihnen gesagt wird. Vielleicht aber auch für diejenigen unter euch, die es gern allen recht machen und mit diesem Spiel schon mal üben können, ein bisschen contra zu geben. Egal warum, legt euren Gehorsam mal kurzzeitig in die Schatulle und schnappt euch das Smartphone. Wir beschäftigen uns jetzt mit einem interessanten Indie-Entwickler und seinem Nicht-Spiel namens „There is no Game“, nicht für Android.
There is no Game – der psychologische Hintergrund
Kurz gesagt, worum es geht: Das Spielprinzip besteht darin, den Anweisungen des Sprechers zu folgen. Allerdings spricht er nur Verbote aus. Mit wenig Anstrengung kann man sich denken, was 99% der Menschen tun, genau das Gegenteil. Bevor ich allerdings Spiel und Entwickler näher beschreibe, fragt man sich doch, warum ein relativ einfach gehaltenes Spiel so interessant ist. Warum wollen wir immer/ oft/ manchmal, was wir nicht haben können? Warum freuen wir uns mitunter am meisten, wenn wir uns etwas hart erarbeitet haben und mal ganz, ganz ehrlich und unter uns: Hätte nicht auch eine andere Frucht als unbedingt DIESER Apfel genauso gut geschmeckt? Wahrscheinlich eben nicht. Das Verbotene ist irgendwie interessant. Nicht in dem Sinne, dass ich eine Tatort-Markierung überqueren müsste, noch nicht mal bei rot über die Ampel laufen…Was in unserem Gehirn bei Verboten geschieht, nennt sich Reaktanz. Das ist eine Art des Sich-Wehrens gegen Einschränkungen. Ab morgen esse ich kein grünes Gemüse mehr – nach einer Stunde hat man dem Broccoli eine Liebeserklärung geschrieben. Dem Ganzen liegt der Reiz des Verbotenen zugrunde. Typisch dafür ist das Aufwerten genau jener Alternative, die nicht verfügbar ist. Kurz: Darf ich nicht? Will ich deswegen! Das passiert bei Diäten, beim Schlussverkauf und als Teenager sowieso ganz oft. Reaktanz lässt sich auf drei Arten beheben oder zumindest vermindern: Erstens kann man die eingeschränkte Freiheit wieder vollständig herstellen (Broccoli ist gesund), zweitens – und diese Möglichkeit geht oft mit der zweiten einher – kann man die Freiheit mithilfe eines Ersatzproduktes wiederherstellen (Stichwort Nikotinpflaster). Die dritte Variante ist, die Bedeutung und Wichtigkeit des verbotenen Produktes oder der verbotenen Verhaltensweise ganz drastisch zu senken. Der Haken dabei: das funktioniert meistens eher nicht, schon gar nicht, wenn man durch andere Personen manipuliert wird (dein Ex-Freund war nur auf Platz drei der Sexiest-Man-Alive-Liste, weil er Kontakte hatte) und meistens auch nicht, wenn man versucht, sich das selbst einzureden. Was man tun kann, ist zum Beispiel, eben einfach doch auf den vermaledeiten Knopf zu drücken!!
KaMiZoTo – der Mann hinter „There is no Game“
KaMiZoTo ist ein Indie-Game-Entwickler, der offensichtlich einige Jahre in der französischen Videogame-Industrie gearbeitet hat und nun beschloss, irgendwie „anders“ zu werden und das im positiven Sinne. Die Texte auf seiner Homepage sind kurz, klingen aber intelligent und durchaus interessant. Die Angaben sind eher gering gehalten, worüber man aber stolpert, sind Spiele wie „CoineOp Story“, „Medusa“ oder eben „There is no Game“. Beide letzteren wurden mit dem ersten Platz der „Newsground Construct 2Jam“ ausgezeichnet, was man gerne glaubt: das Thema für „There is no Game“ war Deception, also Täuschung. Da KaMiZoTo ein Franzose ist und das Thema auf der englischsprachigen Plattform eben auch auf Englisch gepostet wurde, brianstormte er für eine Zeitfrist von vier Wochen gut die Hälfte davon, nämlich 15 Tage komplett in die falsche Richtung. Der Grund: Auf Französisch gibt es ein Wort, déception, das zwar genauso aussieht, aber eben Enttäuschung und nicht Täuschung heißt. Nachdem das geschafft war, gab es aber furchtbar viel positives Feedback, für das Spiel sollte per Crowdfunding ein zweiter Teil entstehen, der sich da nennt „There is no Game: Wrong Dimension“. Vielleicht gehört ihr ja zu denjenigen, die das Spiel bereits kennen (und mögen?), für alle anderen heißt es immer noch: Wendet euren Blick jetzt gefälligst ab!
Eine Ziege, ein Eichhörnchen und ein Knopf
Und damit kann ich eigentlich schon gar nicht mehr so richtig viel schreiben, ohne euch das Erlebnis zu vermasseln. Das Spiel ist überschaubar, was mir gefällt. Perfekt für die Mittagspause oder die kurze Entspannung zwischendurch. Innerhalb von 10 bis 30 Minuten, je nach Fantasie und Glück, hat man sich durch das Klick-and-Point-Game manövriert. Die 8-Bit-Grafik lässt uns an alte Zeiten denken und dann kann es auch schon losgehen. Ganz wichtig: den Ton anschalten! Wer das nicht tut, verpasst einen Großteil des Spaßes. Die tiefe, kultige Männerstimme gibt dem ganzen das besondere Etwas. Es startet mit düsterer Musik, die dann abrupt abbricht und gleich wirst du angesprochen. Es heißt gleich wieder „auf Wiedersehen“ mit der Info, dass es hier echt kein Spiel gibt. Du sollst bitte auch nichts anfassen. Schon juckt der Zeigefinder und die Reaktanz steigt in mir auf :-). Die Stimme ist ziemlich sympathisch, obwohl man sich mehr oder weniger freiwillig gleich zu Beginn ein klein wenig mit ihr anlegt. Dann fasst man das frisch gestrichene „o“ eben doch an.
Da ich hier kein Spiel vorstelle, ist es auch nicht verwunderlich, dass ich euch kaum Inhalte präsentieren kann, denn um das Aha-Erlebnis möchte ich euch nicht bringen. Sagen kann ich aber, dass man sich wie ein ungehorsames Kind fühlt und die Sache mit der umgekehrten Psychologie 1a klappt, auch wenn man sie durchschaut. Was euch begegnet wird, ist zum Beispiel ein Buchstabensalat, eine Ziege, ein Eichhörnchen und jede Menge Stoff zum Nachdenken. Macht euer Englisch fit, denn in dieser Sprache wird mit euch kommuniziert. Wer des Französischen mächtig ist, kann auch das nehmen.
Fazit zu „There is no Game“
Ich finde, „There is no Game“ ist ein super witziges Spiel, bei dem man teilweise wirklich in’s Grübeln kommt. Wer alles gleich herausfindet, ist sicher in einer halben Stunde (höchstens) durch, ansonsten kann man schon mal eine Nacht drüber schlafen müssen. Oder man hält die Neugier nicht aus und fragt doch mal jemanden, der es schon durchgespielt hat. Es gibt keine Werbung und keine IAPs. Für Android hat das Spiel über eine Million Downloads und richtig gute Bewertungen. Einige muffige Userkommentare finden sich natürlich immer, abe hey, Humor ist eben auch verschieden und wenn man möchte, kann man jeden Witz zerreden. Meinen Geschmack hat das Ganze auf jeden Fall getroffen, weil es einfach mal etwas Anderes ist und ich weder handeln, noch schießen oder rennen muss (auch, wenn ich das sonst ebenfalls gerne tu). Das Minispiel ist es auf jeden Fall wert, mal reinzuschauen.