Ich schwenke die weiße Fahne. Ich werfe die Flinte in’s Korn. Ich sehe dabei, wo der Hase im Pfeffer begraben liegt 😉 und ich kapituliere. Ja, ich kapituliere nach Jahren des Widerstandes, nach Jahren von Diskussionen, nach Jahren des Kampfes. Es ist geschehen und ich sehe mich nach harten Zeiten des aufrecht erhaltenen Individualismus gezwungen, mir selbst einzugestehen, dass ich diesen Disput verloren habe. Ich habe mir Whatsapp installiert.
Wenn ihr jetzt zu denen gehört, die denken „Whaaaat?! Hat sie nicht gehabt??? Wie geht das denn????“ dann bitte, kontaktiert meine Freunde und Bekanntschaften und rekapituliert jedes Partygespräch der letzten Jahre. Ihr könnt das über Whatsapp tun. Das haben die alle. Lange Zeit habe ich mich geweigert, wollte den Messenger-Service nicht auf meinem Handy, ohne dabei eigentlich genau zu wissen, warum. Klar, die Vorteile liegen auf der Hand, wenn man nicht tief in die Tasche greifen muss und alles mit den Lieben teilen kann. Aber Leute, jeder, jeder, jeder hat das. Also muss ja was dran sein. Aber warum bin ich uncool oder latent sozial inkompetent, wenn ich mir eine bestimmte App nicht lade? Wann ist das denn passiert? Und seit wann gibt man seine Handynummer viel leichter raus, weil es ja Whatsapp ist? Ich sehe da keinen Unterschied. Das wirklich Dramatische an der Geschichte ist allerdings, dass es viel mehr Vorteile gibt, als ich mir eingestehen wollte. Und dass ich, seitdem Whatsapp vor zwei Wochen bei mir eingezogen ist, ein recht aktiver Nutzer bin. Leider weiß ich nicht, was ich davon halten soll und bis Freud ein Plätzchen auf seiner Couch für mich frei machen kann, lasse ich euch an meinen Erfahrungen teilhaben.
Dieser Artikel ist also für alle Zweifler, für alle Fans und für alle Unentschlossenen gleichermaßen geeignet, denn zum Glück darf sich der Mensch am Ende des Liedes ja immer noch seine eigene Meinung bilden.
Split und Faust in einem – Whatsapp scheidet die Geister
Und damit meine ich meine eigenen. Kennt ihr den Kinofilm Split? Der Thriller aus dem letzten Jahr sorgte für Aufsehen und war sicher nichts zum Einschlafen. Darin spielt James McAvoy einen Mann, der in sich 23 verschiedene Persönlichkeiten beherbergt. Ganz so schlimm ist es zum Glück nicht, aber WhatsApp scheidet tatsächlich die Geister und selbst nach aktiver Nutzung kann ich mich noch immer nicht auf die Pro- oder Kontraseite stellen. Das Beispiel war jetzt zu dramatisch? Ok, ich mach’s wieder gut und führe stattdessen mit dem guten, alten Goethe ein anderes Beispiel an. „Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“ – die eine will nicht den ganzen Tag auf’s Handy schauen, die andere will auch mitreden können [ frei zitiert nach Goethes Faust]. Der arme Faust hat mit den wirklich großen Fragen des Lebens gehadert und am Ende von Plackerei und Studium verschiedenster Disziplinen festgestellt, dass das alles nichts bringt. Und da schweifte der Blick ab zu den dunklen Mächten. Voldemort und Dementoren gab es noch nicht, deswegen sprechen wir von Mephisto. Bekanntlich sollte man mit dem ja keinen Pakt schließen. Das ist schlimmer als bofrost.
Aber der Zwiespalt ist so alt wie die Menschheit selbst. Und nun können wir aufatmen. Heute müssen wir keine bedeutungsvollen Entscheidungen treffen. Keine lebensverändernden, wollte ich fast sagen, aber so ganz würde das nicht stimmen. Whatsapp hat durchaus Einfluss auf meinen Alltag genommen. Es folgen daher eine kurze Meinungsäußerung des negativen Mephisto und des positiv gestimmten Fausts. Altmodische Menschen könnten es das gute alte Pro- und Contra-Spiel nennen.
Contra: Mephisto goes Whatsapp
In unserem Gedankenexperiment findet Mephisto Whatsapp blöd. Hier die Gründe (und ja, ich habe ihm souffliert): Whatsapp nervt mich tierisch, weil die ganze Welt keinen anderen Kommunikationsweg mehr zu kennen scheint. Durch die Tatsache, dass man hier nicht unentwegt Geld ausgeben muss und alle Informationen schnell geteilt werden können, kommt keiner mehr auf die Idee, mal schnell anzurufen. Wenn jede SMS kostet, geht ein Gespräch vielleicht schneller. Whatsapp kann ich auch 1000 schreiben, ist ja egal. Vielleicht bin ich spießig, aber ich bin Fan des gesprochenen Wortes. Gute Freunde möchte ich hören, wissen wie es ihnen geht und am Tonfall ungefiltert erfahren, was sie gerade denken. Klar, für mich sind schnelle Nachrichten zwischendrin auch praktisch, aber wenn die Zeit da ist möchte ich die Stimmen echter Menschen hören. Ich finde es gruselig, dass die Funktionen von Whatsapp ständig auf einer Metaebene etwas ausdrücken. Ein Beispiel: die wunderbare Funktion, zu sehen, wann ein bestimmter Kontakt das letzte Mal online war. Automatisch beginnt man, wenn man einige Informationen verknüpft, zu wissen, wann eine Person schlafen geht oder ob sie wirklich aufsteht, wann sie es gesagt. Das ist störend, denn eigentlich will man keinen seiner Freunde kontrollieren. Dann guck doch nicht, denkt ihr? Das geht eben auch nicht.
Genauso verhält es sich mit den dummen, dummen blauen Haken. Muss ich euch nicht sagen: Ein grauer Haken heißt, die Nachricht wurde versendet, zwei graue Haken, sie ist beim Empfänger angekommen, färben sich die Haken blau: Halleluja, mein Freund hat meine Nachricht gelesen! Das ist doch krank… Warum werde ich mit dieser Funktion gezwungen, das Verhalten meines Kommunikationspartners zu analysieren? Ich sehe, er ist online, aber meine Nachricht wurde nicht gelesen…nun wissen wir aber alle, dass eine neue Nachricht sehr wohl angezeigt wird, er also nicht darauf getippt hat. Warum?! Ich sehe, dass die Nachricht gelesen wurde, aber habe keine Antwort. Warum?! Ich kriege Schnappatmung, weil meine Nachricht an eine Gruppe nur einen Haken aufweist…jetzt liest es keiner, sie wird nicht zugestellt, der Abend ist zerstört, wir werden uns nie treffen, ist die Kommunikation hier doch der einzig mögliche Weg, nachher im echten Leben zueinander zu finden. Warum?! Klar, alles ein bisschen übertrieben. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich eine Frau bin und eventuell, nur manchmal, ein klitzekleines bisschen zu Detailüberinterpretation neige. Nein, eigentlich kann das nicht sein, sicher geht es vielen Leuten so. Und nein, an alle Schlaumeier, die Funktionen zu deaktivieren, ist keine Option, denn ich will es ja wissen ;-). Zu guter letzt ist Mephistos Akku ständig leer, der obligatorische Check am Abend wurde viel zu schnell zur Gewohnheit und mein äh sein Speicher wird echt strapaziert.
Faust goes Whatsapp
Ich liebe Whatsapp und frage mich, warum ich mich jahrelang so bockbeinig gestellt habe. Alle meine Freunde hatten recht, es ist ein super einfacher und portemonnaieschonender Weg, einfach mit vielen Menschen in Kontakt zu bleiben. Und zu kommen. Tatsächlich habe ich seit meiner Registrierung noch mehr Kontakt zu meinen Freunden. Liebe Nachrichten werden öfter ausgetauscht, wenn man an den anderen oder eine ganze Gruppe denkt. Das wäre mit SMS nicht passiert, weil es einfach viel zu umständlich wäre. Es ist also durchaus schön, zu erfahren, wie oft man eigentlich an die anderen denkt. Die Gruppenfunktion ist eine super Sache. In welchem Zusammenhang auch immer haben die Menschen darin etwas miteinander zu tun und können wunderbar Kontakt aufnehmen und wenn es nur um den nächsten Ausgehabend geht. Nachzügler werden zur Herde gelotst, bis alle da sind, erste Eindrücke per Foto von denen gepostet, die schon da sind. Super Vorteil: Die Partyfotos werden super schnell geteilt, kein langes „Kannste mir mal schicken?“ mehr. Auch positiv: Die letzten Partyfotos können auch nur mit einer Person geteilt werden ;-). Die blauen Haken sind praktisch, weil ich dann weiß, dass mein Gegenüber informiert ist. Auch Nachrichten ins Ausland sind kein Problem mehr. Alles, was ich zum kommunikativen Glück brauche, ist ein bisschen Internet und das haben wir zum Glück ja alle dabei. Endlich habe ich eine Möglicheit, mein gigantisches Datenvolumen aufzubrauchen.
Fazit oder des Pudels Kern
Was ist der Goethe doch für ein pfiffiges Kerlchen gewesen. Weiß, dass man am Ende irgendwie ein Fazit ziehen muss. Was ist des Pudels Kern? Was ist die Auflösung des Rätsels und was die Moral der Geschicht‘? Das muss wohl jeder für sich selbst entscheiden. Letztendlich hat Whatsapp für mich wohl doch mehr Vor- als Nachteile. Deinstallation nach zwei Wochen mehr als unmöglich. Vor allem, weil am anderen Ende eben echte Menschen hängen. Negativ sind neben ständig leerem Akku und dem immer öfter auftretenden Drang, „doch mal schnell zu gucken“ eigentlich nur die Informationen, die man meint durch Interpretation erlangen zu müssen. Um mit Freunden in Kontakt zu bleiben, ist der Messenger-Service wohl tatsächlich einer der einfachsten Wege und bietet eine optimale Möglichkeit, um die Lieben schneller und vielleicht sogar häufiger an die virtuelle Strippe zu bekommen. Wir konstatieren: Wir können ein wenig nachvollziehen, wie Faust sich gefühlt hat und wir konstatieren, dass Whatsapp trotz einiger Schwächen wohl am Ende doch eher positiv als negativ ist. Zumindest für mich. Aber psssst…!