Unter der Brücke vor Thimbleweed Park liegt eine Leiche und solange, wie die schon im Wasser liegt, beginnt sie schon – …zu stinken? – …zu verrotten? – zu verpixeln! Was sonst? Immerhin befinden wir uns hier in einem herrlich pixeligen Point & Klick Adventure der sagenhaften Macher von Monkey Island und Maniac Mansion, Ron Gilbert und Gary Winnick. Sherlock Holmes hatte leider keine Zeit und Watson war auch verhindert, aber die Agenten Ray und Reyes sind schon zur Stelle, um den Mordfall aufzuklären, der irgendwie keinen in der Stadt so richtig zu interessieren scheint. Kniffelige Rätsel und der typische Humor der Lucas Arts Adventures wecken Erinnerungen, dennoch erlebt man eine neue, eigenständige Story. Finanziert wurde das Projekt über Crowdfunding und wurde von Terrible Toybox Inc. entwickelt. Bereits im März erschien Thimbleweed Park für Windows, macOS, Linux (krasser Scheiß) und die Xbox One, später auch für Playstation 4 und Nintendo Switch. Doch auch Freunde der Mobile Games können sich freuen: Thimbleweed Park gibt es auch für iOS und seit Anfang Oktober auch für Android- Wouhou! Mit 10,99€ für iOS, 19,99€ auf Steam und 9,99€ für Android ist das Spiel sicherlich eine der teuereren Apps, warum dieser Preis aber durchaus gerechtfertigt ist, erfahrt ihr in unserem Test.
Krimi statt Piraten
Ein Point & Klick- Adventure von den Erfindern der berühmtesten Point & Klick-Adventures überhaupt – ich glaube, ich brauche nicht sagen, dass damit die Messlatte der Erwartungen echt hoch liegt! Weit unten beginnt jedenfalls die Geschichte von Thimbleweed Park: Unter der Brücke sollen wir uns mit einem geheimnisvollen Fremden treffen. Und das war’s auch schon für unsere erste spielbare Figur, denn der (vorerst) namenlose Herr liegt schnell tot im Fluss. In einem „Neo-Noir Krimi im Jahre 1987“ ermittelt der Spieler zunächst als das unfreiwillige Agenten-Duo Ray und Reyes. Keine Piraten also dieses Mal, aber ein Mordfall. Ganz zu Beginn lässt sich einer der beiden möglichen Modi wählen, ein einfacher Modus und ein etwas kniffeligerer Modus für Adventure-Fans.
Taubenbrüder, die eigentlich Schwestern sind, und andere skurrile Charaktere
Warum sollte ein Klempner sich auch nicht als riesige Taube verkleiden? Die Taubenbrüder, äääh, -schwestern sind nur die ersten Verrückten, denen man in Thimbleweed Park begegnet und das ist erst der Anfang. Der Sheriff, der Gerichtsmediziner und der Hotelmanager sehen nicht nur aus wie das doppelte Lottchen, sondern besitzen ähnliche, aber gleichsam nervige Sprachfehlerleinchenle. (Natürlich je nach Sprache unterschiedlich, die Untertitel sind übrigens komplett deutsch, während die Audioausgabe in englischer Sprache vertont wurde.) Eine weitere Nebenfigur, die aus auf die Top-Ten der skurrilen Charaktere schafft, ist der Hausmeister der Edmund Mansion Mansion. In den ersten Kapiteln benimmt er sich einigermaßen normal, abgesehen von einem extrem unverständlichen Dialekt, und gräbt die meiste Zeit den Garten um. #justHausmeisterThings Später jedoch trifft man den Hausmeister in der Villa – immer noch grabend! Wie man also sieht, ist so ziemlich jede Figur interessant und hat irgendeine kleine Eigenheit, auch wenn sie eine eher nebensächliche Rolle haben mag. Kommen wir jedoch nun zu den fünf spielbaren Hauptfiguren!
Meine persönliche Lieblingsfigur ist Delores. Sie ist die Nichte des größten Unternehmers der Stadt, weigert sich aber, ihr Erbe in der Kissenfabrik anzunehmen. Stattdessen wird sie lieber Spieleentwicklerin für Adventure-Games. Doch nicht alle Charaktere sind so sympathisch wie sie, so schlüpfen wir auch in die Rolle von Ransome, dem Clown, dessen Redebeiträge größtenteils zensiert werden müssen. Ransome fristet durch einen Fluch ein armseliges Leben im heruntergekommenen Zirkus, ist jedoch mehr in die Geschichte verstrickt, als man auf den ersten Blick denken mag. Außerdem steuerbar sind noch ein Geist, den wir noch zu Lebzeiten kennen lernen und die beiden besagten Agenten. Durch jeden Charakter erhält man einen anderen Blickwinkel auf die Story und da jeder von ihnen andere Fähigkeiten hat, ist die Zusammenarbeit unvermeidlich.
Welcome to Thimbleweed Park
Die Spielwelt lässt sich bis zum Ende des zweiten Kapitels ausschließlich zu Fuß erkunden und das dauert, denn sie ist nicht nur groß, sondern auch voller Details, die man erkunden möchte. Danach finden erquesten wir uns eine Landekarte des Bezirks und können mit dieser das Schnellreisen-Feature freischalten und auch das Gebiet hinter der Stadt betreten, wie das Hotel, den Zirkus und andere wichtige Gelände. Durch die typischen Aktionsverben können die Spielfiguren mit der Umwelt und anderen Figuren interagieren, rechts befinden sich die gesammelten Schätze unseres Inventars. Classic.
Ist das nicht aus Monkey Island?
Thimbleweed Park hat einen persönlichen Helden, der die Stadt groß machte – oder eher hatte, denn der Gründer der großen Firma PillowTronics ist gestorben. Dennoch verehren viele Bewohner der Stadt diesen Chuck. Chuck? Le Chuck?! Der Firmenchef der Kissenfabrik ist zwar kein Pirat, aber an einer Stelle des Spiels (Kleiner Tipp: Im Hotel!) sieht man ganz kurz einen Piratenhut. Aaaaarrrr! Auch die bekannte Lucas-Arts-Anspielung von Indiana Jones auf den Verkauf von Lederjacken hören wir ein paar Mal. Der Clown wird verflucht, als er ausgerechnet die Voodoo-Lady beleidigt – ja, genau, Voodoo gibts auch. Und nein, der Clown hat dabei nicht gefechtet. Und wieso sieht die Villa, in der die Spieleentwicklerin Delores lebt, verdächtig nach der Gouverneursvilla aus The Secret of Monkey Island aus? Aber auch Maniac Mansion lässt grüßen. Ganz zu Beginn finden die Agents eine rostige alte Kettensäge, die jedoch leider kein Benzin hat und die entführte Sandy arbeitet mit Dave, der sie in Maniac Mansion retten wollte, im Diner. Awww. Und kommt euch die Pflanze da auf der Ladentheke nicht auch ein bisschen vertraut vor? Und das waren noch längst nicht alle Anspielungen!
Fazit zu Thimbleweed Park:
Oh, diese Nostalgie! Wer Monkey Island geliebt hat, wird auch viel Spaß in Thimbleweed Park haben, Adventure-Anfänger jedoch genauso. Die Retro-Grafik ist natürlich ein Muss für die Atmosphäre eines oldschool Adventure-Games, das zudem noch 1987 spielt, also weit vor der Zeit der 4K- oder WQHD-Auflösung. Die Rätsel sind, zumindest auf der schwierigeren Stufe, erwartungsgemäß etwas kniffeliger, aber machbar. Bis man alle Rätsel gelöst hat, geht also ein bisschen etwas okay, es geht viel Zeit ins Land und auch nachdem der Mordfall offiziell als aufgeklärt gilt, ist dies noch nicht das Ende – und man erfährt endlich die wahren Absichten der beiden Agenten. Und wie sieht es nun mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis aus? Langer Spielspaß, kniffelige Point & Click- Rätsel, spannende wendungsreiche Story, der kleine Bruder von Monkey Island und Maniac Mansion – Thimbleweed Park ist wahnsinnig umfangreich und das gleicht den Preis durchaus aus. Und hoffentlich wird es nicht das letzte Spiel von Terrible Toybox bleiben. 😉
Übrigens ein kleiner Tipp am Rande: Wenn ihr Staubkörner findet, sammelt diese ein, sie sind nämlich nicht so nutzlos wie man denkt.