Meine Rose ist ein Arschkeks. So, das musste mal gesagt werden. Ich mag sie sehr, sie sieht gut aus, nur leider scheint sie das auch zu wissen. Was soll man denn da tun? Den Gärtner Pötschke anrufen? Die Blume in’s Erziehungscamp schicken, vielleicht zur Bundesgartenschau, damit sie mal merkt, wie gut sie es hat und wie individuell sie behandelt wird? Oder abschneiden und ab in die Vase…muahahahaha. Wer da gleich an den kleinen Prinzen und seine Rose daheim denkt, der bekommt erstens ein Literaturbienchen und zweitens die erleichternde Nachricht, dass es so philosophisch heute nicht werden muss. Was ich der Rose in die florierenden Schuhe schieben möchte, ist eigentlich mein eigenes Unvermögen. Denn wenn der Garten in voller Blüte steht, freut man sich meist so sehr daran, dass die Kamera schnell gezückt ist. Das Ergebnis, das daraufhin allerdings entsteht, fristet oft ein trübes Dasein in den untersten Schubladen der digitalen Lagerlogistik, um Jahre später von einer gnädigen Seele gelöscht zu werden. Woran das liegt? Mangelndes Spektakulär-Sein der Aufnahmen selbst. Yup, das klang jetzt trostlos. Aber verzaget nicht, liebe Freunde, es gibt, *räusper*, rosige Aussichten.
Wer ab jetzt nämlich gern Pflanzen fotografieren möchte, wobei sich das Ergebnis sehen lassen kann, der sollte dringend mal einen Blick auf unsere heutige Buchempfehlung werfen. Also bitte, holt die Lesebrille raus, wärmt Zeigefinger und Daumen zum Umblättern auf, überlegt mal, wie man das früher gemacht hat mit dem Halten und dem Blättern – ich nehme als Buchstütze gern den Hund – denn: Wir lesen ein Buch. Eines aus Papier und Seiten mit Buchstaben und Bildern. Für jeden was dabei also. Ganz konkret handelt es sich um die „kreative Pflanzenfotografie“ des mitp-Verlages. Wer ein paar Anregungen braucht oder grundlegende Infos sucht, der ist hier ganz richtig.
Wer steckt dahinter?
Das Buch stammt vom mitp-Verlag, einem IT-Fachbuchverlag aus Deutschland. Spezialisiert auf die Bereiche IT&Web, Business&Marketing sowie Fotografie&Grafik . Hier findet also so ziemlich jeder etwas Passendes. Im Programmbereich Fotografie&Grafik werden zwei Buchreihen verlegt. Für bereits wissende und fortgeschrittene Fotografen gibt es die mitp Edition Profifoto, der heute vorgestellte Band „Kreative Pflanzenfotografie“ entspringt der mitp Edition FotoHits, die sich an motivierte Einsteiger richtet. Wer mal stöbern möchte, guckt hier.
Hinter dem Buch stecken zwei Autoren. Alexander Dacos ist professioneller Fotograf. Er beschäftigt sich zum Einen mit Makrofotografie – ein Buch zum Thema haben wir bereits hier vorgestellt, zum Anderen etwa mit Fotoretusche und Schwarz-Weiß-Fotografie. Ingrid Jost ist die Zweite im Bunde und hat sich auf Pflanzenfotografie spezialisiert. Das Buch hat es sich nun zum Ziel gemacht, interessierte Hobbyfotografen zu unterstützen, wenn es darum geht, nicht nur Blumen, sondern Pflanzen generell in Szene zu setzen. Ihr findet darin alles, was euch hilft, das liebe Grünzeug kreativ in Szene zu setzen, egal, ob ihr dabei im Garten am Haus bleibt, euch in den Botanischen Garten begebt oder vielleicht oder auch gleich in die freie Wildbahn, wo ihr auf euch zukommen lasst, was auch immer da fotografiert werden möchte und kann.
Ganz konkret ist der Band in die Kapitel
- Kreative Pflanzenfotografie – die Zutaten
- Kreatives im Detail – im Haus und Garten
- Kreatives im Detail – im Botanischen Garten
- Kreatives im Detail – in der Natur
- Kreatives im Detail – im Studio
- Licht und Bildkomposition
- Bildbearbeitung
unterteilt.
Der Aufbau ist logisch und klar gegliedert. Entweder, ihr seid neugierig und lest das Buch von vorn bis hinten durch, das ist möglich und leichtgängig, obwohl es ein Fachbuch ist, oder ihr sucht vielleicht Anregungen für einen bestimmten Bereich, dann könnt ihr euch ebenfalls gezielt informieren.
Man nehme…
Wie der Name schon sagt, geht es im ersten Kapitel um die Zutaten, ohne die man schwerlich starten kann. Das Buch richtet sich hier wirklich an Anfänger, die an den Grundlagen interessiert sind und mal über den Tellerrand schauen möchten. Die Autoren geben Anregungen dazu, dass man auch abseits des eigenen Gartens, etwa an Gewässern, durchaus dankbare Motive finden kann. Damit man weiß, mit wem man dann überhaupt die Ehre hat, folgt eine kleine Übersicht über die gängigsten Pflanzen. Neben Ideen für die kreative Umsetzung widmet sich dieses Kapitel auch den technischen Grundlagen. Wer also bisher froh war, das Motiv halbwegs vollständig vor die Linse zu bekommen, kann sich schnell weiterentwickeln und das Wichtigste über Equipment wie Stativ, Diffusor, Abschatter oder Festbrennweite erfahren. Mir gefällt die Gestaltung, denn die Infos beinhalten zwar das Wchtigste, halten aber nicht mit zu detaillierten Angaben auf. Wer sich über ein bestimtmes Thema infomiert, möchte zwar Grundlegendes erfahren, nicht aber erst stundenlang Theorie wälzen müssen, bis man tatsächlich einmal die Kamera in die Hand nehmen kann. Das ist hier gut gelöst. Schnell das Wichtigste draufgeschafft und dann kann es eigentlich schon losgehen. Positiv finde ich zudem, dass keine teure Ausstattung vorausgesetzt wird, vielmehr wird der Fokus auf Fotografiertechnik und Experimentierfreudigkeit gelegt, wer möchte, kann technische Hilfsmittel nutzen, wer nur mit der Kamera loszieht, findet ebenso viele Tipps.
Bäumchen, äh Örtchen wechsel dich
Kapitel zwei bis fünf beschäftigen sich nun mit verschiedenen Orten, an denen ihr eurer Experimentierfreude und eurer künstlerischen Ader freien Lauf lassen könnt. Klar, am bequemsten ist es, wenn ihr vielleicht sogar einen Garten am Haus habt. Rausgeschlurft und das Gänseblümchen im Morgentau erwischt. BAM. Hier geht es vor allem auch um verschiedene Fotografiertechniken, wie etwa die Blume im Ölbad. Die Fotosession verlegt ihr dazu aber ins Haus, die Blüten allerdings sollten wohl aus dem eigenen Garten kommen, weil Herr Meyers kalifornische doppelachsige Steppenkamelie womöglich ein Einzelstück ist. Und mit Strom gesichert. Und Stacheldraht. Und einem Bannkreis aus der dritten Dimension. Egal. Damit die schönsten Blüten nicht nur am Busch fotografiert werden können (Busch, Staude, Stiel, bei mir alles eins), werden uns verschiedene Techniken vorgestellt. Dabei müssen sich die Blütenköpfe aber eventuell leider vom Rest trennen, wer das nicht so mag, verlegt sich lieber auf andere Kapitel. Spannend wird es dann zum Beispiel bei der Mehrfachbelichtung, der Wischtechnik oder verschiedenen Hintergrundfolien. Für jedes ‚Projekt‘ (Aaaangst, ich habe es Projekt genannt, wenigstens nicht Schnitzel, Hornbachgott sei mir gnädig) stehen die benötigten Zutaten wie Equipment (technisches und das für das Bild selbst, wie etwa Pipette) und Location übersichtlich im Infokästchen. Die Beschreibung folgt in Textform. Wer sich dann mit frisch getankter Motivation und dem nötigen Mut, den Schrebergarten zu verlassen (bei mir gehört eher Mut dazu, die Anlage zu betreten, hehe) gerüstet hat, der schaue sich doch mal im Park oder auf der Wiese um.
Die schönsten Bilder können nämlich mitunter dort entstehen, wo der Mensch nur sporadisch seine Finger im Spiel hatte, wie etwa auf dem wild bewachsenen Feldweg oder am Rande des Tümpels. Hier erfahrt ihr unter anderem auch mehr über Blattstrukturen und wie diese am besten eingefangen werden können.
Anhand einzelner Situationen oder Bilder werden oft Ideen geteilt und Techniken erläutert. Man kann nun versuchen, genau so eine Situation festzuhalten oder man nutzt die Kapitel als Anregung für eigene Ideen. So oder so wird der eigene Entdeckerdrang ziemlich schnell geweckt und es bleibt nicht lang beim bloßen Nachstellen. Hier bietet das Buch also eine für mich perfekte Mischung zwischen Theorie und praktisch anwendbaren Ideen, die meist, zumindest ähnlich, auch relativ schnell umgesetzt werden können.
Es werde Licht
Die letzten beiden Kapitel bieten schon einiges mehr an Substanz, was theoretisches Wissen angeht. Wer also gern tiefer in die Materie eindringen will, der sollte sich hier mal umschauen. Kapitel sechs beschäftigt sich nämlich mit Licht und Bildkomposition. Dabei wird detailliert auf die Wahl des Lichtes, die Farbharmonie, gezielte, also gewollte Unschärfe, Goldene Regeln, Perspektiven und das Zwei-Farben-Prinzip eingegangen.
Ein Motiv richtig in Szene zu setzen ist eben gar nicht so leicht und sich immer auf Glückstreffer zu verlassen, ist womöglich auch kein Patentrezept. Über die richtige Motivpositionierung werden hier die wichtigsten Inhalte kurz zusammengefasst, die sogenannten goldenen Regeln. Wer die goldene Diagonale oder den goldenen Schnittpunkt bereits beim Fotografieren ohne im Nachinein eingezeichnete Linien erkennen kann, dürfte in etwa ein ähnliches Endorphinlevel haben wie der Kobold am Ende des Regenbogens.
Im letzten Kapitel ist, wie meistens auf der Welt, alles Ansichtssache. Wofür wir uns bei Instagram schämen, darf hier offen zur Schau gestellt werden. Nope, ich meine jetzt nicht den Pyjama auf dem Sofa oder den unaufgeräumten Esstisch im Hintergrund, sondern das Thema Bildbearbeitung. Wer jetzt mit Abwedeln die Staubbeseitigung meint und bei Bokeh an etwas denkt, das sich gut auf dem Couchtisch macht, weil es gut riecht, der könnte ab Seite 167 ja gern nochmal reinlinsen. Wortspiel beabsichtigt.
Fazit
Mit dem Buch „Kreative Pflanzenfotografie“ von Alexander Dacos und Ingrid Jost ist es dem mitp-Verlag gelungen, ein informatives Grundlagenwerk herauszubringen, das sich vor allem an Einsteiger und ambitionierte Neu-Fotografen richtet. Der Aufbau ist logisch und nachvollziehbar, wer möchte, kann sich speziell nach Themen orientieren oder einfach mal das ganze Buch durchschmökern, was bei etwa 200 unterhaltsam geschriebenen und reich bebilderten Seiten kein Problem darstellt. Die ersten Kapitel beschäftigen sich mit verschiedenen Locations, wie Botanischem Garten oder Gewässern, an denen ihr euch ausleben könnt. Die letzten beiden Kapitel beschäftigen sich eher mit theoretischen Ansätzen, nämlich dem Licht und der Bildkomposition sowie der Bildbearbeitung. Mir gefällt die Mischung aus theoretischen Ansätzen, die ohne viel Aufwand oder technisches Sonderequipment oft gleich selbst ausprobiert werden können und den Praxistipps, die schnell Anregungen geben. Die Ideen sind mitunter wirklich außergewöhnlich und garantieren auf jeden Fall, dass ihr den Entdecker in euch mal ungehemmt rauslassen könnt. Besonders gefällt mir auch die beiliegende Spickzettel-Karte, auf der die wichtigsten Werte für Belichtung, Blende, Weißabgleich etc. vermerkt sind. Wer also mehr will als die monotonen Blütenbilder bei Sonnenschein, die trotzdem noch schön anzuschauen sind, der findet hier auf jeden Fall eine gute Sammlung an anwendbaren Hiniweisen. Wer möchte, kann das Buch für 22,00 € als Softcover oder für 19,99 € als PDF/ EPUB hier direkt bei Amazon bestellen. Und eines noch: Meine Rose ist doch kein Arschkeks. #warnichtsogemeint #extraDüngerfürdich