„Glauben Sie, dass ich verrückt bin?“
Hört sich vertraut an, dieser Satz? Ist aber weder aus „Einer flog über das Kuckucksnest“ noch die neue Bahn-Ansage für die Station Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik. Diesen Satz hat wohl jeder im Ohr, welcher auf YouTube was geschaut hat und vorher die Werbung zum Hörbuch der Elon Musk Biografie geschaltet bekam. Also jeder, bevor Coin Master um die App-Ecke kam. Und ist dies vielleicht der Grund, warum man die Biografie von Elon Musk liest? Da man zu oft die Werbung gesehen hat und von den Top-Platzierungen gehört? Ich meine, Platz 20 in den Amazon-Charts für ein Buch aus dem Jahr 2015.
Das beim Finanzbuchverlag erschienene Buch von Ashlee Vance wird hier mal schnell als Sonntagslektüre vorgestellt. Warum die Eile?
Da es schlecht ist? Nein, da man die 350 Seiten ebenso schnell gelesen hat wie eine Partie PUBG. Nur ohne Chicken-Dinner, sondern schnelle Amerika-Kost. Und je schneller man liest, desto mehr überliest man auch die Übersetzungsfehler und Ungenauigkeiten.
Was will man über Musk wissen? Welches Perfüm er trägt? Etwas mit Moschus?
Es gehört wohl zur menschlichen Natur dazu, dass man gern andere Menschen erhöht (und ebenso erniedrigt) sieht. Um sie irgendwie zu verstehen. Schon auf dem Rückcover wird Musk in die Reihe von Edison, Ford und Hughes gestellt. Ein „komentenhafter Aufstieg“ zum „größten Unternehmern seit…“. Gemischt ist das stets mit Mythen. Wovon das Buch einige stärkt, indem etwa von „Flucht aus Südafrika“ gesprochen wird. Es war ein normaler Flug mit Visum. Dabei bemüht sich der Autor so sehr gleich von Beginn an glaubhaft zu machen, dass er kein Fanboy sei und neutral. Herje. Ist er nicht.
Lama Start!
Wer bestellt ein Steak im Fischrestaurant? Wer mach denn sowas? Ashlee Vance. Dies ist auch einige der wenigen Dinge, welche aus dem ersten Kapitel in Erinnerung bleiben. Der Autor bot Elon Musk ein Stück von seinem Steak. Das Steakstück nahm Musk sogar an und verschlang es wie ein Raubtier. Hört sich wirr an? Tatsächlich ist gleich das erste Kapitel „Elons Welt“ die Verwirrung der Verwirrungen, ein lahmer Start. Ein wirrer Ritt auf dem Rücken eines spuckenden Lamans durch „Muskland“, welcher wohl neugierig machen soll. Eigentlich aber nur mega nervig für all jene ist, die Musks Aktivitäten auch so schon verfolgt habens und weder von Partyschilderungen beeindruckt sind noch von dem mitschwelnden Stolz des Autors, dass er durch Hartnäckigkeit doch noch seine Interviews bekommen hat. Eventuell aber auch nur, da auch er ursprünglich aus Südafrika stamme. Die Herkunft und die Jugend von Musk nehmen dann auch gleich die ersten zwei Kapitel ein und lesen sich irgendwie OT. Irgendwer ist von irgendwo von Afrika nach Australien geflogen. All das dient natürlich nur dazu einen gewissen Mythos aufzubauen oder zu erklären. So wurde ein angebliches Gespräch vor 40 Jahren im Dorm-Room mit einer Christie angeblich schon über eAutos geführt: Denkst du auch über Elektroautos nach? Sicher.
Sind die „frühen Jahre“ abgehandelt, in welchen es der Natur der Sache nach mehr um Musk selbst geht, wird es für Biografieleser öde. Für Fans von Tesla und SpaceX hingegen interessant. Musk selbst tritt extrem in den Hintergrund, seine Mitarbeiter und Mitmacher kommen immer mehr Platz. Es kommt vor, dass 10 Seiten keine nenneswerte Aussage zu Musk erfolgt. Spätestens mit dem Bruch bei PayPal wird es zugleich irgendwie grau. Man bekommt eine Wahrheit vorgesetzt, welche Zweifler kennt.
Aus welchem Interesse liest man also eine Musk-Biografie? Um von seiner Selbstorganisation zu lernen? Also nein, wie macht ER das bloss alles? Indem er einen Führungsstil hat, welcher nicht nett ist. Positiv formuliert. Es wird von Streitigkeiten berichtet und Kündigungen. Als Werbung dafür sich bei Tesla oder SpaceX um eine Stelle zu bemühen dient das nicht.
Ja, das war schon alles. Die Musk-Biografie wäre in der Verfilmung wohl um einige Dramatik aufzupolieren.
Nun. Eine Sache gibt es auch noch: Das „verändert“. Wie Musk die Welt verändert. Nicht verändertE. Model 3 und Heavy-Testflug kommen nicht vor. Auch nicht die Take-Private-Sache, die weitere beinahe Tesla-Pleite / VW-Übernahme und die Abwicklung von Solarcity. *räusper* Schauen wir mal, wie sich das Narativ in einer Neuauflage ändert, wenn noch fünf oder zehn Jahre ins Land gehen.
Worüber sich Musk aber wohl am meisten Sorgen machen sollte, ist wohl: Wie wird die Singularität diese Biografie auffassen?
Weiterlesen: We ❤️ Elon: Der Tesla-Bot tanzt (nicht wirklich) #Kommentar