Streiten kann man darüber, was ein gutes Foto ist. Drüber diskutieren, gesittet, aber ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, genau das machen die beiden Autoren dieses bei mitp erschienenen Buches. Thomas Kleinert und Martin Schmidt sind nicht immer einer Meinung und lassen uns in „Bessere Fotos“ an ihrem Austausch über ihre eigenen Fotos teilhaben, die „Liebe zum Detail“ entdecken und ein Verständnis dafür zu entwickeln, warum uns manche Fotos besser „gefallen“ als andere. Dabei geht es nicht um Instagram-Gefälligkeit, auch wenn viele der Motive aufgrund des Hintergrund der beiden Autoren aus dem Bereich Leben und Reisen stammen. Angereichert ist das Buch dann dennoch um Checkboxen und Wissensvermittlung, immer aber mit Blick aufs Foto und den unmittelbaren Praxisbezug.
Dynamisch und dennoch ruhig wirkt das Foto auf dem Cover von „Bessere Fotos“, welches ein offenbar aufbrausendes Meer zeigt. Einen stabilen Steg hat man da offenbar gebaut, auf welchem ein Angler sein Glück probiert. Metaphorisch passend bauen uns die Autoren ebenso in den elf Kapiteln auf 184 Seiten mit vielen Abbildungen einen Weg durchs wilde Wasser der Fotografie, von welchem aus wir Motive jagen oder vielleicht nur passend drauf warten, dass eins anbeißt. Dieses Fotobuch richtet sich nur nur an Foto-Enthusiasten, sondern an alle, welche gewisse Regeln der Bildkomposition verstehen, einhalten und brechen wollen. Welche die „Kunst des Beurteilens“ lernen und sei um eigenen Fotos besser zu machen oder schlicht zu verstehen, warum wir bei machen Fotos etwas fühlen und andere einen kalt lassen.
In den Kapiteln werden dennoch die wichtigsten Aspekte thematisiert und die sind teils auch immer technisch oder methodisch und nicht nur vom richtigen Blick abhängig. So geht es in Kapitel 2 ums Licht, wie es unruhige Szenen etwa beruhigt per Langzeitbelichtung. Im mit 4 Seiten recht kurzen Kapitel 3 übers Timing thematisiert, ob man „Magic Moments“ nicht irgendwie provozieren könne und sich nicht nur auf den Zufall verlassen muss. Dahingehen spürt man, dass die beiden Autoren im Kapitel 4 über Geometrie in ihrem Element sind und Fluchtpunkte, Spiegelungen und Spiralen zu ihrem Handwerkzeug gehören. Ein Thema, was als Perspek-Tiefe im Kapitel 8 nochmals anders aufgegriffen wird. Witzig ist im Kapitel 5 zu Lichtfärbung ist, dass keine Nachtfotos diskutiert werden, da man solche nicht im Portfolio habe. Das folgende Kapitel 6 wird motivlastig, wenn es um Abstraktion geht, während in Kapitel 7 (endlich) der Aspekt des Storytelling aufkommt. Drei Kapitel zu Gegensätzen, Minimalismus und Regelbruch runden das Buch ab.
Die Autoren seien keine Profifotografen, sondern Hobbyisten. Das liest man so einschränkend, es hat aber für den Inhalt des Buches kaum Relevanz. Denn es geht hier nicht um die Nachkommastellen der Blende und die besten Lichtsettings im Studio. Beide Autoren sind profilierte Mathematiker und deshalb genaue Menschen mit eben jenem Blick fürs Detail. Aber keine Angst, keine Kurvendiskussion sind der Austausch, sondern teils wirklich überraschenden Einsichten.
Thomas, wie gefällt es dir?
Perfekte Bilder. Davon gibt es in diesem Buch so einige. Oftmals fragte ich mich, was man wohl an diesem oder jenem Bild auszusetzen hat und manchmal war ich dann schon überrascht, wie kritisch man in aller Deutlichkeit sein kann. Manchmal beschränkt es sich dann aber auch auf Petitessen, wie einen leicht unterschiedlichen Abstand oben und links, wie auf Seite 51. Die Positionen der Autoren zum Bild des jeweils anderen sind dabei stets fair und nachvollziehbar. Oftmals dienen dann die Schwächen als Basis für einen Exkurs bzw. „Tech-Talk“ wie eben bei diesem Architekturfoto über die Korrektur stürzender Linien. Manchmal verblüfft auch die Offenheit, wonach der eine Autor von Tierfotografie nun gar nichts verstehe und der andere deshalb eine kleine Checkbox zum Thema bringt.
Natürlich ist das Spektrum der gegenseitigen Bewertung meist zwischen sehr gut und gut, da man schlechte Fotos nicht abdrucken würde…
Tolles Foto! ist beinahe ein MEME von Fotoplattformen und schon damals bei Flickr wawr es verpönt solche Kommentare zu machen, um Aufmerksamkeit für die eigene Profilseite zu bekommen. Natürlich will man echte Kritik auch nur begrenzt von Fremden lesen, da das eigene Ego dieser Möglichkeit zur Verbesserung im Weg steht. Kritik tut weh. Insofern ist es sehr erfrischend wie ehrlich die beiden Autoren miteinander in diesem Buch umgehen. Es ist ein Gewinn für die Leser.
Oftmals kennt man Motive aus seiner eigenen Reisetätigkeit und stellt fest, dass man sie weder so gesehen oder gar fotografiert hat. Was mir noch persönlich gefallen, aber auch gleichzeitig gestört hat, dass sind freilich die Nachbearbeitung. Cool, dass sie so transparent zeigen, was man aus einem Foto machen kann mit LR, das passt zum Buch, teils finde ich die Bearbeitung aber zu krass für die Praxis. Damit verbunden ist dann die ebendiese Enttäuschung, dass man es eben selbst ohne die Software nie so hinbekommen würde, gerade im Bereich der Smartphone-Fotografie, welche wir hier auf Check-App propagieren.
Achja, das Kapitel 2 nach der Einleitung gleich, ist das technischste. Klar geht es bei Fotografie um Licht, aber für diejenigen, welche das Buch in der Erwartung kaufen hier nur Fotodiskussionen zu lesen, könnte es vielleicht abschrecken gleich die Formel für die Blendenzahl erläutert zu sehen, Sensorgröße und Brennwerte erklärt zu bekommen.
Bessere Fotos von Thomas Kleinert und Martin Schmidt ist bei mitp erschienen und als Buch bzw. E-Book für 29,99 Euro direkt hier beim Verlag oder Amazon erhältlich.