Die Entscheidung Schwedens, im Bildungsbereich wieder verstärkt auf traditionelle Lehrmethoden zu setzen und digitale Geräte in Grundschulen zurückzudrängen, hat im Herbst 2023 für Aufsehen gesorgt. Diese Strategieänderung basiert auf Bedenken, dass eine übermäßige Digitalisierung möglicherweise zu einer Verschlechterung der Grundfertigkeiten bei Schülern geführt hat. Wir haben uns die zugrundeliegende Studie angeschaut und festgestellt, dass neben dem Einsatz digitaler Geräte auch andere Faktoren, wie die Coronapandemie und die steigende Zahl von Schülern, die Schwedisch nicht als Muttersprache sprechen, als mögliche Ursachen für den Rückgang der Lesekompetenz genannt werden.
Die Überschriften zur Entscheidung Schwedens waren emotional, teils mit einem Unterton, wir haben ja schon immer gewusst:
- „Too fast, too soon? Sweden backs away from screens in schools“ (Le Monde.fr)
- „Sweden to cut use of screens in schools as reading declines“ (Brussels Signal)
- „Switching off: Sweden says back-to-basics schooling works“ (The Guardian)
- „Tech-Savvy Sweden Leads Global Push To Ban Screens in Schools“ (Ethic)
- „Time To Ban Screens In Schools? Digital-Savvy Sweden Thinks So“ (Worldcrunch)
- „Use of screens in Swedish classrooms still under debate“ (Inspenet)
- „Sweden, the debate over limiting technology in primary schools“ (cna.al)
- „Sweden signals decrease in tablet use and return to traditional teaching methods“ (YouTube – AP Archive)
- „Sweden blames digital screens for lack of attainment“ (Navigator Paper)
- „Sweden scales back on the uses of digital tools in schools“ (spartanshield.org)
Die Entscheidung Schwedens, im Bildungsbereich wieder verstärkt auf traditionelle Lehrmethoden zu setzen und digitale Geräte in Grundschulen zurückzudrängen, markierte einen bemerkenswerten Wendepunkt in der Diskussion um die Rolle der Digitalisierung im Bildungswesen. Lotta Edholm, Schwedens neue Ministerin für Schulen, hat sich deutlich gegen den bisherigen, umfassenden Einsatz von Technologie in der Bildung ausgesprochen und betont, dass physische Bücher und das handschriftliche Schreiben eine größere Rolle im Lernprozess der Schüler spielen sollten. Das Karolinska-Institut, eine renommierte medizinische Hochschule in Schweden, hat geäußert und darauf hingewiesen, dass digitale Werkzeuge das Lernen eher beeinträchtigen als fördern können. Diese Einschätzung steht im Einklang mit einem Bericht der UNESCO, der zwar für eine verbesserte Internetverbindung an Schulen plädiert, gleichzeitig aber davor warnt, dass Technologie niemals den persönlichen, lehrergeführten Unterricht ersetzen sollte.
Bezug genommen bei der Entscheidung wurde dabei auf die PIRLS-Studie 2021, bekannt als IGLU in Deutschland. Das steht für Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung, eine Studie, die weltweit die Lesefähigkeiten von Viertklässlern evaluiert. Sie dient dazu, Bildungssysteme zu vergleichen und zu verbessern. Zusätzlich führen einzelne Bundesländer eigene Evaluationen durch, um spezifische Bildungsstrategien und Fördermaßnahmen an den Bedarf ihrer Schüler anzupassen. Etwa ILeA in Brandenburg in Deutschland.
PIRLS-2021 macht ratlos
In dem 160-seitigen Dokument über die PIRLS-2021-Studie fanden wir detaillierte Einblicke in Schwedens Bildungssystem, Lehrmethoden und die Nutzung digitaler Technologien im Unterricht. Spezifische Aussagen zum Einsatz von Tablets in schwedischen Schulen wurden jedoch nicht direkt angesprochen. Die Studie betonte allgemein die zunehmende Digitalisierung und die Verfügbarkeit von Computern für Schüler in Schweden, wobei die Verantwortung für die Auswahl und den Einsatz spezifischer digitaler Tools bei den Lehrkräften liegt. Schweden, zusammen mit Ländern wie Finnland und Polen, zeigte in der Studie eine niedrigere durchschnittliche Lesekompetenz im Vergleich zu den Spitzenreitern wie Singapur, Hongkong SAR und der Russischen Föderation, lag aber immer noch vor vielen anderen teilnehmenden Ländern. Die PIRLS-Ergebnisse dienen Schweden als wichtige Informationsquelle für die Weiterentwicklung seines Bildungssystems, insbesondere im Bereich der Leseerziehung und der Integration digitaler Lernmittel.
Die Debatte um Bildschirmnutzung in Schwedens Klassenzimmern: Ein kontroverses Thema
Die Debatte über den Einsatz von Bildschirmen in schwedischen Klassenzimmern bleibt kontrovers. Während die schwedische Regierung plant, von digitalen Bildschirmen abzurücken und wieder mehr in den Einsatz von gedruckten Lehrbüchern zu investieren, basierend auf dem Rückgang der Lesekompetenz, wie der PIRLS-Bericht 2021 zeigt, gibt es auch Gegenstimmen zu dieser Entscheidung.
So betont Psychologin Carmen Esteban in der VOA an den gesunden Menschenverstand und betont, dass Bildschirme nicht verteufelt werden sollten, da sie einen motivierenden Aspekt haben und als nützliche Ergänzung dienen können. Sie sieht sie als hilfreich an, um Filme, die zu Unterrichtsthemen passen, Bildungsdokumentationen, Lieder anzusehen, offizielle Informationen im Internet zu suchen, Präsentationen am Computer zu erstellen und andere Nutzungsmöglichkeiten. Susana Martín unterstreicht die Notwendigkeit einer Debatte, die alle Aspekte der Nutzung von Technologie im Klassenzimmer abdeckt, und betont, dass Technologie und Papier koexistieren und das Beste aus beiden Welten hervorbringen können. Sie plädiert dafür, die Diskussion nicht auf eine binäre Wahl zwischen digital und analog zu reduzieren und weist auf die Bedenken hin, dass Bildschirme im Klassenzimmer genauso verwendet werden könnten wie zu Hause, was die Aufmerksamkeitsspanne von Kindern beeinträchtigen könnte.
Die Debatte über den besten Weg, um den Bildungsstand schwedischer Schüler zu verbessern, zeigt, dass es keine einfache Antwort gibt. Während einige Experten die Rückkehr zu traditionelleren Lehrmethoden befürworten, sehen andere in der Technologie ein wertvolles Werkzeug, das, wenn es sinnvoll eingesetzt wird, das Lernen unterstützen kann. Es bleibt abzuwarten, wie sich dieser Ansatz auf die Bildungsqualität und die Entwicklung der Schüler in Schweden und weltweit auswirken wird. Die Debatte um die beste Balance zwischen traditionellen Lehrmethoden und der Nutzung digitaler Technologien im Unterricht wird sicherlich weitergehen. Was jedoch klar ist, ist die Notwendigkeit, sorgfältig zu überlegen, wie Technologie am besten eingesetzt werden kann, um das Lernen zu unterstützen, ohne dabei die Entwicklung grundlegender Fähigkeiten zu vernachlässigen.
Derweil wird diskutiert private Smartphones generell aus der Schule zu verbannen: Handyverbot an Schulen: Ein emotionaler Drahtseilakt zwischen Sicherheit und Bildungserfolg – Check-App