Stell dir vor, dein Geist könnte wie dein Smartphone ein Update erhalten. Genau das verspricht die App „Waking Up: Beyond Meditation“ von Sam Harris, verfügbar für Android und iPhone. Sie biete mehr als nur eine Meditationshilfe – sie sei ein umfassender Wegweiser für ein besseres Leben. „Waking Up“ schaffe einen tieferen Zugang zur Achtsamkeit, der deine Sichtweise auf dich selbst und die Welt grundlegend verändere. Neben Meditation beinhaltet die App auch lebensverändernde Einsichten von führenden Gelehrten zu Themen wie Schlaf, Weltverbesserung und Glück. Für alle, die sich mit den großen Fragen des Lebens auseinandersetzen wollen, verspricht „Waking Up“ Einblicke in Bereiche wie Neurowissenschaft, Psychedelika und Ethik. Diese Kombination aus Anleitungen und theoretischem Unterbau mache die App zu einem wertvollen Tool für ein umfassendes Verständnis des eigenen Bewusstseins. Das wollen wir doch mal checken!
Sam Harris, der Gründer der „Waking Up“ App, ist ein prominenter Neurowissenschaftler und Bestsellerautor, der für seine kritische Sicht auf Religion und seine Befürwortung von Vernunft und Wissenschaft bekannt ist. Harris betont in seinen Vorträgen und Diskussionen regelmäßig, wie essentiell es ist, eine kritische Auseinandersetzung mit eigenen Glaubenssystemen zu führen.
Einschläfernder Ersteindruck
Beim ersten Öffnen von „Waking Up“ wird schnell deutlich, dass die App ein minimalistisches und übersichtliches Design anstrebt. Die Verwendung sanfter Blautöne soll Vertrauen schaffen und eine beruhigende Atmosphäre vermitteln. Allerdings fehlt es mir bei dem Ersteindruck an visueller Tiefe und Persönlichkeit – die Schriften und das Layout wirken generisch und nicht besonders einladend und die Paywall schreckt mich letztlich wochenlange davor ab überhaupt die App genauer unter die Lupe zu nehmen. Sie schlummert fast einen Monat auf meinem Gerät. Eigentlich kann ich nach dem Vortrag „Construction of Mind“ keine weiteren Inhalt finden als ständig auf Schlösser zu tippen, welche mir das Abo verkaufen wollen im Popup.
Ohne die Erstellung eines Kontos sind kein Einblick in die Funktionsweise möglich. Dies ist ein deutlicher Nachteil im Vergleich zu anderen Apps, die es ermöglichen, Inhalte zunächst ohne Registrierung zu erkunden. Fast ausschließlich fünf Sterne Bewertungen bei gleichzeitig hohen Kosten für die App-Inhalte werfen zudem Fragen auf. Selbst etablierte Apps erreichen selten eine derart einseitige Bewertungslage, was „ungewöhnlich“ wirkt.
Aller 7 Tage erhalte ich eine Erinnerungsmail, wonach ich doch endlich die Free Trail nutzen solle. Doch bei einem Jahresbeitrag von etwa 150+ Euro will ich eigentlich gar nicht erst anfangen die App zu nutzen. Ist sie gut, dann wäre ich trotzdem nicht bereit soviel Geld auszugeben für ein Abo. Wäre die App schlecht, so würde ich mich ärgern. Ein Dilemma, was meine Nutzung verhindert.
Es wird mir klar, dass viele Inhalte hinter einer Paywall verschlossen sind. Dies könnte für andere neue Nutzer ebenso abschreckend wirken, besonders wenn sie die Qualität des Angebots vor einer finanziellen Verpflichtung testen möchten. Dies hat offenbar auch Waking-Up erkannt und die erste Mail bietet mir einen kostenfreien Monat an. Und trotzdem nutze ich die App nicht.
Onboarding-Prozess – Einladend oder nur ein weiterer Schritt?
Der Einstiegsprozess der App ist klar strukturiert und fragt nach persönlichen Informationen sowie der Meditationserfahrung. Ich muss mich anmelden, sogar mit Verifikationscode. Diese Informationen sollen helfen, das Nutzererlebnis zu personalisieren. Während die Fragen relevant sind, könnte der Prozess durch ein ansprechenderes Design und eine lebendigere Interaktion verbessert werden. Es fehlt etwas an Charakter, der die Nutzer wirklich fesselt. Wohin muss ich nun gehen, was soll ich mir anhören? Völlig unklar.
Das Angebot aus der E-Mail von Waking Up umfasst einen kostenlosen Monat mit unbegrenztem Zugriff auf folgende Inhalte:
- Der komplette Einführungskurs: Hier führt Sam Harris dich Schritt für Schritt durch die Grundlagen der Achtsamkeit.
- Eine sorgfältig kuratierte Bibliothek geführter Meditationen: Diese stammen von weltweit führenden Lehrern, die dir helfen, deine Einsichten zu vertiefen.
- Vorträge und Lektionen über die wichtigsten Fragen des Lebens: Präsentiert von führenden Gelehrten und Philosophen.
Zusätzlich wird betont, dass viele Nutzer berichten, sie hätten in den ersten paar Wochen mehr über ihren Geist und sich selbst gelernt, als in Monaten oder sogar Jahren mit anderen Methoden. Trotzdem nutze ich das Angebot weiterhin nicht, da ich noch immer von langweiligen Ersteindruck eingeschlafen bin.
Kaum Kritik im Netz zu finden
Es ist bemerkenswert, dass im Internet nur wenig Kritik an der „Waking Up“ App von Sam Harris zu finden ist. Dies könnte auf die allgemein hohe Zufriedenheit der Nutzer mit den angebotenen Inhalten und der Funktionsweise der App hinweisen. Doch die geringe Menge an Kritik könnte auch Skepsis hervorrufen, insbesondere in Anbetracht der hohen Kosten und des obligatorischen Abonnements, die üblicherweise ein breiteres Spektrum an Nutzerfeedback, einschließlich negativer Bewertungen, nach sich ziehen. Dieser Mangel an kritischen Stimmen wirft Fragen nach der Vielfalt und Offenheit der Nutzerbewertungen auf und könnte potenzielle neue Nutzer dazu veranlassen, die Glaubwürdigkeit und Transparenz der verfügbaren Reviews genauer zu hinterfragen.
Es bleibt also dabei, dass es sachlich nur zwei Punkte gibt:
Sprachbarriere und Registrierungszwang
Ein kritischer Punkt vieler ist, dass die App ausschließlich auf Englisch verfügbar ist. Dies schränkt den Zugang für Nutzer, deren Muttersprache nicht Englisch ist, erheblich ein. Zudem ist eine Registrierung notwendig, um überhaupt Zugriff auf Inhalte zu erhalten, was den Eindruck von Datenklau verstärkt – eine Praxis, die viele Nutzer als unnötig und invasiv empfinden.
Kosten und Abonnementzwang
Die App lockt zunächst mit einigen freien Übungen, fordert jedoch bald eine Zahlung von etwa 100 Euro für weiterführende Inhalte. Diese Kosten werden von vielen als „unverschämt“ empfunden und haben bei mir zu großer Enttäuschung geführt. Der Zwang zum Abonnement führte dazu, dass ich die App sofort wieder deinstallierte.
Auf Reddit fand ich noch eine relativ spezielle Diskussion. Es dreht sich um Vorerfahrungen mit Substanzen. Obwohl viele die „Waking Up“ App als nützlich empfinden, sei es wichtig, sich der psychologischen Tiefe und möglichen Auswirkungen der Meditation bewusst zu sein. Nutzer sollten individuell entscheiden, ob diese Art der Meditation für ihre persönlichen Umstände geeignet ist und ggf. fachkundige Unterstützung in Betracht ziehen.
Kleiner Hintergrund
Ich habe mich entschieden, die Ansichten von Sam Harris mal außerhalb seiner App „Waking Up“ zu erkunden, um einen tieferen Einblick in seine philosophischen Überlegungen zu gewinnen. Harris‘ Konzept der Moral, das sich stark auf das menschliche Wohlbefinden konzentriert und versucht, ethische Fragen mit wissenschaftlichen Methoden zu beantworten, kann als eine Art wissenschaftlicher Utilitarismus beschrieben werden. Diese Herangehensweise hat breite Diskussionen ausgelöst, insbesondere in der philosophischen Gemeinschaft, wo sie sowohl auf Zustimmung als auch auf Kritik stößt. Kritiker aus verschiedenen philosophischen Schulen, darunter Deontologen, Tugendethiker und moralische Relativisten, haben wichtige Einwände gegen Harris‘ Versuch erhoben, moralische Wahrheiten wissenschaftlich zu begründen. Diese Auseinandersetzung mit seinen Theorien bietet einen wertvollen Kontext für das Verständnis seiner App und der darin enthaltenen Inhalte.
Sam Harris folgt in seinem ethischen Rahmen jedoch nicht strikt dem Utilitarismus, etwa im Sinne von John Stuart Mill. Während Harris das Wohlergehen als grundlegend für moralische Entscheidungen betrachtet, betont er auch die Rolle von individuellen Rechten und globalen Folgen. Er argumentiert, dass moralische Entscheidungen auf objektiven Bewertungen beruhen sollten, die auf dem Wissen über die menschliche Natur und das Wohlbefinden basieren. Obwohl einige seiner Ansichten mit dem Utilitarismus übereinstimmen können, entwickelt Harris seine Ethik unabhängig von traditionellen utilitaristischen Modellen weiter.
Letztlich: Die Meditations-App von Sam Harris ist primär auf Achtsamkeit ausgerichtet und bietet Techniken zur Meditation und persönlichen Entwicklung an. Obwohl Harris gelegentlich philosophische Ansichten in den Inhalten der App teilt, insbesondere in seinen Gedanken zur Moral und Ethik, ist es wichtig zu betonen, dass die App nicht primär für ausführliche Diskussionen über solche Themen konzipiert wurde. Die Integration philosophischer Ansichten in eine Meditations-App könnte kontrovers sein, da das Hauptziel der App die Förderung von Achtsamkeit und innerer Ruhe ist. Es ist daher ratsam, sich außerhalb der App mit diesen philosophischen Ansichten auseinanderzusetzen, um eine umfassendere Perspektive zu erhalten und mögliche Kontroversen zu vermeiden.
Insofern kann man also unabhängig vom „philosophischen Unterbau“ die App mit anderen Mediations-Apps vergleichen, lies hierzu: Die beste Meditations-App finden: Ein detaillierter Vergleich von Headspace, 10% Happier und Waking Up – Check-App
Fazit
„Waking Up“ bietet eine solide Grundlage für diejenigen, die ihre Meditationspraxis vertiefen und erweitern möchten. Doch die App könnte von einem durchdachteren Designansatz profitieren, der nicht nur funktional, sondern auch visuell ansprechend ist, um eine stärkere Erstbindung und Zufriedenheit der Nutzer zu erreichen. Eine Überarbeitung der visuellen Präsentation und eine großzügigere Handhabung der Zugänglichkeit könnten „Waking Up“ zu einer noch attraktiveren Wahl für Meditationsinteressierte machen.