Wir haben After Inc. nicht „getestet“. Wir haben es gespielt. Stundenlang. Nicht weil wir mussten, sondern weil wir nicht aufhören konnten – und weil wir es wollten. Was wie ein typischer Kolonie-Builder wirkt, entfaltet sich langsam zu etwas anderem: einem Statement über Kontrolle, Hoffnung und die Frage, ob man aus den Ruinen wirklich etwas lernen kann.
Das neue Spiel von Ndemic Creations beginnt dort, wo andere enden. Keine Apokalypse in Echtzeit, kein Spektakel. Sondern das Danach. Jahrzehnte nach dem Kollaps bauen wir unsere ersten Hütten, lassen Felder wachsen, versuchen Ordnung in ein zerbrochenes System zu bringen. Und scheitern. Mehrmals.
Wenn Ressourcen Mangelware sind – und Geduld auch
After Inc. verlangt uns einiges ab. Wer auf schnellen Fortschritt hofft, bekommt schnell Gegenwind. Energie, Nahrung, Moral – alles hängt zusammen, alles kippt schnell. Jede Entscheidung fühlt sich bedeutend an, gerade weil sie manchmal in eine Sackgasse führt. Expeditionen enden in leeren Ruinen, Versorgungslinien brechen weg, und plötzlich stehen fünf Siedler im Regen, weil wir ein Haus zu wenig gebaut haben.
Gleichzeitig ist genau das der Reiz. Keine Werbung, keine künstlichen Wartezeiten, kein Pay2Win-Zwang. Nur wir, unser Plan und die Konsequenz. Spieler haben das in den Bewertungen deutlich gemacht – und wir können das unterschreiben: Wer Geduld mitbringt, bekommt ein Spiel, das sich ernst nimmt. Und dich auch.
Was glänzt – und was stört
Die Stimmung ist stark. Das visuelle Design trifft genau den Punkt zwischen Verlorenheit und Schönheit. Aber es gibt Brüche. Die UI ist stellenweise seltsam beschriftet – Platzhaltertexte wie „5“ statt „Wasser“, kryptische Buttons („8“ für irgendwas) werfen einen kurz raus. Auch die Übersetzung wirkt oft wie durch einen Filter gezogen, der nicht ganz sauber war. Beides Kleinigkeiten, aber sie stören in einem Spiel, das sonst so sehr auf Atmosphäre setzt.
Schwieriger wiegt, dass das Spiel dir wenig erklärt. Wann ein Upgrade wirklich Sinn ergibt, wann du ein neues Gebäude brauchst oder was eine Entscheidung langfristig verändert – vieles erschließt sich erst durch Trial & Error. Wer sich reinfuchst, wird belohnt. Wer lieber geführt wird, könnte frustriert abbrechen.
Kein Game fürs Nebenbei – und genau das ist gut so
After Inc. lässt sich nicht nebenbei spielen. Es hat diese entschleunigende Wucht, die dich rauszieht aus dem typischen Mobile-Gefühl. Statt Snacks für zwischendurch gibt’s hier eine Mahlzeit, die Zeit braucht. Und Konzentration. Der Schwierigkeitsgrad zieht an, Missionen scheitern öfter, als man denkt – gerade im späteren Spielverlauf. Trotzdem fühlt es sich nie unfair an. Nur ehrlich.
Und ja: Wir haben Fehler gemacht. Wir haben zu viele Ressourcen auf einmal abgebaut, zu schnell expandiert, zu wenig auf die Bedürfnisse der Bewohner geachtet. Aber genau deshalb bleibt das Spiel hängen. Weil es uns zwingt, über unsere Entscheidungen nachzudenken – und weil es sie respektiert, selbst wenn sie falsch waren.
Fazit: After Inc. ist nicht perfekt – aber genau deshalb wichtig
Was bleibt nach zehn, zwölf Stunden mit After Inc.? Ein Spiel, das kein großes Spektakel will, sondern ein stilles Drama entfaltet. Kein Glanzstück der Usability, keine Technik-Demo – sondern ein durchdachtes Spiel mit Haltung. Und einem klaren Ziel: Nicht die Welt zu retten. Sondern zu verstehen, warum sie untergegangen ist – und ob wir es besser machen würden.
Wenn du Geduld hast, strategisch denkst und keine Angst vor Fehlern, wirst du hier mehr finden als in vielen Hochglanzproduktionen. Kein Spiel für alle. Aber ein Spiel, das etwas zu sagen hat.
Und das ist selten geworden.
