So etwas hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie gegeben. Nicht erster Wahlgang und Friedrich Merz und so weiter. Dürfte jeder 1001fach gehört haben. Sondern wegen TikTok. Denn zum allerersten Mal wurde der offizielle Account des Bundeskanzlers – @bundeskanzler – nicht archiviert oder zurückgesetzt, sondern einfach übernommen. Zack – Olaf raus, Friedrich rein. Kommentar eines Nutzers: „Da unten sieht man noch den kahlen Kopf – jetzt ist’s Merz.“ Und ja, das stimmt wirklich. Willkommen im digitalen Neuland 2.0. Auf Instagram und X läuft es anders.
Wir von Check-App hatten das Thema schon vor der Wahl im Blick: In mehreren Beiträgen haben wir analysiert, wie Scholz, Lindner, Habeck & Co. mit TikTok und Instagram um Reichweite kämpfen. Jetzt, nach der Wahl, schauen wir genau hin: Was passiert mit den politischen Social-Media-Kanälen, wenn der Kanzler wechselt? Und warum wirkt das Ganze so halb-offiziell, aber maximal verwirrend?
TikTok: Ein Account, viele Gesichter – jetzt eben Merz
Fangen wir mit TikTok an:
- Der Account @bundeskanzler hat aktuell 459.010 Follower und 8 Millionen Likes.
- Früher: Olaf Scholz – Dönerpreisbremse, Taschentanz und stille Sätze aus dem Kanzleramt.
- Jetzt: Friedrich Merz – Selfies mit Macron, Auftritte mit Steinmeier, erste Worte im Bundestag.
- Bio: „Kanzler Friedrich Merz 🤝🇩🇪 – Hier antwortet das TeamBK“.
Und das alles ohne Archiv, Übergabe oder Erklärung im Feed. Der Account bleibt, der Inhalt ändert sich. Willkommen beim fliegenden Wechsel im Bundeskanzleramt – TikTok-Edition. Die Community reagiert:
„Ich hab gestern noch Scholz zugeguckt – heute grinst mich Merz an. Wild.“
Instagram: Auch hier wurde der Kanzler-Account übergeben
Nicht nur auf TikTok, sondern auch auf Instagram wurde der offizielle Account @bundeskanzler an Friedrich Merz übergeben. Das bedeutet:
- Die rund 1,3 Millionen Follower stammen nicht von einem neu erstellten Kanal, sondern wurden von Olaf Scholz „vererbt“.
- Alle alten Beiträge von Scholz wurden gelöscht. Aktuell zeigt der Kanal lediglich zwei Beiträge von Merz.
Damit ist auch auf Instagram der Kurs eindeutig: Der Amts-Account bleibt beim Amt, die persönliche Kommunikation läuft über getrennte Profile. Für viele Nutzer wirkt das klarer als auf TikTok – dort fehlt durch das Fehlen eines Scholz-Privataccounts und durch das plötzliche Löschen alter Inhalte jede Orientierung.
Historisch? Auf jeden Fall. Ein bisschen absurd? Auch.
Zur Erinnerung: Angela Merkel hatte keinen TikTok-Account. Die Plattform war in ihrer Amtszeit noch kein relevanter Politik-Kanal. Das hier ist also ein echtes Novum. Der allererste Bundeskanzler-Wechsel auf TikTok – und gleich ein medienhistorisches Experiment. Die Kommentarfelder sind voll:
„Das ist wie POTUS auf Twitter – nur ohne Archivierung.“
„Wenn ich Olaf gefolgt bin, muss ich jetzt Merz entfolgen? Ernsthaft?“
„Das ist der Account des BUNDESKANZLERS, nicht von Olaf!“
Digitale Übergabe: Logisch, aber schlecht erklärt
Ein Großteil der Community akzeptiert die Logik: Der Account steht für das Amt, nicht für die Person. Vergleichbar mit einer Unternehmensseite – die gehört auch nicht dem Marketing-Mitarbeiter, der sie mal gestartet hat. Aber die Kritik kommt von denen, die Social Media nicht als Behördenseite sehen, sondern als Kanal mit Tonalität, Persönlichkeit und Beziehung.
Was hier fehlt, ist Kommunikation: Kein Hinweis im Profil, keine Erklärung im Feed, kein „Hallo, ich bin jetzt der Neue“. Nur ein neuer Kanzler im selben Kleid.
Wir bei Check-App sagen:
Wir haben in unseren Beiträgen zur TikTok-Wahlkampfanalyse und zur Instagram-Strategie der Spitzenkandidaten genau hingeschaut, wie politische Kommunikation in sozialen Netzwerken funktioniert. Und was hier gerade passiert, ist ein Fallbeispiel für die Macht und das Chaos dieser Kanäle. Wer 450.000 Follower übernimmt, übernimmt auch Erwartungen, alte Inhalte und Kommentare. Ob er will oder nicht.
Plattform | Account | Name | Follower | Likes / Beiträge | Status |
---|---|---|---|---|---|
TikTok | @bundeskanzler | Friedrich Merz | 459.010 | 8 Mio. Likes | Account übernommen, Inhalte ersetzt |
TikTok | (ehem. @bundeskanzler) | Olaf Scholz | – | – | nicht mehr aktiv auf TikTok |
@bundeskanzler | Friedrich Merz | 1,3 Mio. | 2 Beiträge | Account übernommen, Beiträge gelöscht | |
@bundeskanzlerscholz | Olaf Scholz | Unbekannt | aktiv | neuer Kanal, weiterhin aktiv |
Fazit: Was bleibt? Und was geht?
TikTok: Merz übernimmt den offiziellen Kanzler-Account direkt – ohne sichtbaren Bruch, aber mit komplett gelöschtem Feed. Follower und Likes bleiben.
Instagram: Auch hier wird der Kanzler-Account an Merz übergeben – inklusive rund 1,3 Millionen Followern. Alle Beiträge von Scholz wurden gelöscht.
Olaf Scholz: Bleibt aktiv – aber nicht mit einem neuen Team-Kanal, sondern auf seinem privaten Instagram-Account @olafscholz, den er schon vor der Kanzlerschaft führte.
Die Community: Spaltet sich – in „Folge dem Amt“ vs. „Ich will Olaf zurück“. Zwischen Verständnis und Entsetzen, Meme und Medienkritik.
Was wir mitnehmen? Zum ersten Mal wird ein Kanzlerwechsel auf Plattformen wie TikTok und Instagram sichtbar – in Echtzeit, ohne Anleitung. Und vielleicht erleben wir gerade den Anfang einer neuen politischen Erzählform. Eine, bei der es nicht mehr nur um Politik geht, sondern auch um digitale Besitzverhältnisse. Wir bleiben dran – und schauen in einem Jahr nochmal, wer da wirklich noch Follower hat.
Update 14.5.25: TikTok-Kanzler Merz: Mehr Follower, weniger Nähe?
Der offizielle Kanzler-Account @bundeskanzler hat mittlerweile 470.700 Follower – das sind über 10.000 mehr als beim letzten Stand von 459.000. Gesehen auf TikTok, genauer gesagt im Clip von @beyourself.talks: Der Zuwachs täuscht nicht darüber hinweg, dass sich der Ton auf dem Kanal spürbar verändert hat. Im Video äußert sich die Creatorin kritisch zur neuen Kommunikation: Persönlichkeitsnah war gestern, jetzt gibt’s Interviewschnipsel aus der ARD. Scholz habe, so der Tenor, deutlich besser auf die TikTok-Zielgruppe reagiert – mit Humor, mit direkter Ansprache, mit Charakter. Merz dagegen wirke zu distanziert, der Account mittlerweile zu „zugeknöpft“. Das kommt bei vielen nicht gut an – trotz steigender Followerzahl.