Du kennst sie: die wöchentlichen Dashcam-Compilations voller Aufreger, Beinahe-Unfälle, Provokationen und patzigem Verhalten im Straßenverkehr. Der Kommentar-Soundtrack ist meist der gleiche: „Typisch deutsch!“, „Rechts überholen geht gar nicht!“ oder „Der hat doch kein Licht an!!!“ – gefolgt von hunderten Likes. Doch was, wenn wir in zehn Jahren einfach keine solchen Clips mehr brauchen?
Genau das deutet sich jetzt an. Mit dem ID. Buzz AD bringt VW den ersten serienreifen autonomen Shuttle auf die Straßen – vollständig ausgestattet mit 27 Sensoren und so programmiert, dass er sich nicht provozieren lässt, keine Lichthupe verteilt und schon gar keine Rage-Duelle auf der linken Spur beginnt. Willkommen in einer Welt, in der Dashcams nur noch Langweile aufzeichnen.
Die Dashcam-Welt: Zwischen Kontrolle, Wut und Voyeurismus
Schaut man sich Folgen wie #295 von „RLP Dashcam“ an, wird schnell klar: Hier geht es nicht nur um Verkehrssicherheit. Es geht ums Aufregen. Ums Rechthaben. Um Alltagswut in hübsch geschnittene Clips verpackt. Da wird mit Sarkasmus kommentiert, mit Kommentaren diskutiert, manchmal auch mit dem Finger gezeigt. Und jedes Mal steht ein unausgesprochenes Motto über dem Video: „Die anderen sind schuld.“
Diese Clips sind keine neutrale Dokumentation, sondern ein Spiegel unseres gestressten Alltags – eine Art Reality-TV auf vier Rädern. Was sie zeigen, ist weniger ein gefährlicher Straßenverkehr als eine gefährliche Mentalität: Misstrauen, Rechthaberei, Ego.
Die Lösung: Autos, die nicht diskutieren
Und jetzt kommt Moia. Oder besser: ein autonom fahrender ID. Buzz AD mit einem Technikpaket, das so nüchtern funktioniert wie ein Beamter im Archiv. 13 Kameras, 9 Lidars, 5 Radars – der Wagen sieht alles, reagiert unaufgeregt, lässt sich nicht provozieren.
Der stille Held aus Hannover: Wie VW den Dashcam-Krieg beenden könnte
Während YouTube weiter mit Dashcam-Videos geflutet wird, braut sich in den Werkshallen von Volkswagen etwas zusammen, das diese Rage-Clips vielleicht bald überflüssig macht – oder zumindest extrem langweilig.
Der ID. Buzz AD, VWs erstes vollautonomes Serienfahrzeug, ist mehr als nur ein technisches Experiment. Es ist eine Kampfansage. Gegen das tägliche Chaos auf unseren Straßen. Gegen menschliche Unberechenbarkeit. Gegen Ego-Boosts durch Lichthupe.
Was VW hier liefert, ist keine futuristische Vision mehr – es ist Produktionsrealität. Die Technik ist marktreif, getestet in Hamburg, und ab 2026 auf europäischen und US-Straßen eingeplant. Und sie funktioniert: die 27 Sensoren schaffen ein nahtloses 360-Grad-Bild. Die Software von Mobileye trifft Entscheidungen, wo früher Wut oder Müdigkeit das Steuer hatten.
Und anders als Tesla, die mit Kamera-only und Endkundenstrategie auf maximale Disruption setzen, verfolgt VW einen pragmatischen B2B-Kurs. Robotaxis als Dienstleistung. Nicht als Spielzeug für Techbros. Der Fahrdienst Uber ist bereits an Bord – mit einem ersten Deal über 10.000 Fahrzeuge.
Doch der eigentliche Clou ist: VW will nicht einfach autonome Fahrzeuge verkaufen. Der Konzern will die ganze Lösung liefern – inklusive Buchungs-App, KI-gestützter Flottensteuerung und Wartungspaket. Damit entsteht ein Ökosystem, das nicht nur technologisch führend ist, sondern auch wirtschaftlich vielversprechend: zweistellige Margen, konstante Auslastung, keine Lohnkosten. Ein Mobilitätsmodell, das kalkulierbar ist – für Anbieter, Nutzer und vor allem: für die Verkehrssicherheit.
In der Praxis heißt das: Der ID. Buzz AD wechselt nicht wegen verletztem Stolz die Spur. Er fährt nicht auf Lücke. Er ignoriert Provokationen. Und er wird auch nie auf die Idee kommen, jemanden im Kreisverkehr „erziehen“ zu wollen. Was bleibt da für die Dashcam-Community?
Ehrlich gesagt: nicht viel.
Die Ära der Dashcam-Clips könnte damit bald zu Ende gehen – zumindest in der Form, wie wir sie heute kennen. Statt „Road Rage“ erleben wir vielleicht bald „Road Routine“. Und das wäre ein Fortschritt, den man nicht nur messen, sondern auch spüren kann: an weniger Unfällen, weniger Stress – und einer entspannteren Gesellschaft.
Was machen dann die Dashcam-Fans?
Klar, nicht alle freuen sich. Für viele Dashcam-Enthusiasten ist das Format mehr als nur ein Hobby. Es ist ein Gefühl. Kontrolle. Gerechtigkeit. Der Wunsch, zu zeigen, dass man selbst „der einzig Vernünftige auf der Straße“ ist. Wer schon mal in einem der YouTube-Kommentare versackt ist, weiß: Da geht’s nicht selten zu wie auf einer Verkehrsrechts-Tagung mit Wutbürgerflair.
Autonome Fahrzeuge entziehen dieser Kultur den Boden. Keine Schuld mehr. Keine Empörung. Keine Clips, die viral gehen. Stattdessen: Verkehrsfluss. Langeweile. Ein leerer YouTube-Kanal.
Technische Revolution trifft auf emotionale Realität
Was Dashcam-Videos zeigen, ist oft nicht der Straßenverkehr, sondern eine bestimmte Haltung: Misstrauen gegenüber anderen, der ständige Blick auf Fehler, das Sammeln von Regelverstößen wie Trophäen. Und ja – das ist zutiefst deutsch. Die Hoffnung liegt also nicht nur in der Technik, sondern in der Chance, aus dieser Negativbrille auszusteigen.
Vielleicht, ganz vielleicht, macht uns das autonome Auto nicht nur sicherer – sondern auch ein bisschen entspannter. Und wenn dann das nächste Dashcam-Video „Einparken im Halbschatten“ zeigt, schauen wir es uns vielleicht gar nicht mehr an. Und das wäre gar nicht mal so schlecht.