Es gibt Apps, die sind keine Apps, sondern Chiffren. Chiffren für Fortschritt, für die medienphilosophische Avantgarde, für eine Zukunft, in der Maschinen nicht nur schneller rechnen, sondern angeblich auch „verstehen“. ChatGPT ist so eine App. Oder besser gesagt: war es. Denn die Realität auf Android sieht im Juni 2025 anders aus. Sehr anders.
„Die AI ist seit ca. 2 Wochen KAPUTT. Sie antwortet zu 90 % unpassend.“
(Bewertung im Google Play Store, Mai 2025)
Was hier wie die digitale Version eines enttäuschten Trennungsgesprächs klingt, ist symptomatisch. Die Nutzer, einst euphorisch, heute entnervt. Zwischen blumigen Marketingversprechen und tatsächlicher Alltagserfahrung klafft eine Lücke, so groß wie ein Rechenzentrum im texanischen Nirgendwo.
Das Versprechen der KI: Alles, sofort, perfekt. Die Realität: Bugs, Blackouts, Bullshit.
Lassen Sie mich raten: Sie wollten nur kurz den Text für die Einladung zur Silberhochzeit ihrer Eltern personalisieren. Die KI aber schlägt Ihnen einen Pitch für eine Tinder-Bio vor. Mit einem Hinweis auf einen lokalen Burrito-Laden. Warum? Weil Kontexte für Maschinen eine zähe Angelegenheit sind. Und weil mit jedem Update die Hoffnung neu geladen – und genauso oft wieder zerstört wird.
Längere Rezensionen im Play Store lesen sich wie eine Mischung aus technischer Selbsthilfegruppe und digitalem Weltschmerz. Beispiel gefällig?
„Ich nutze die App beruflich – doch sie verliert Inhalte, friert ein, und es gibt keinen Support.“
(Bewertung vom 19. Mai 2025)
Das ist nicht nur ärgerlich. Das ist ein klassischer Tech-Fail. Und zwar einer, der Vertrauen zerstört. Vertrauen, das die Grundlage jeder Mensch-Maschine-Interaktion ist. Ohne Vertrauen wird auch die cleverste KI zum Taschenrechner mit multiplen Persönlichkeitsstörungen.
Die Grenze der Freundlichkeit: Wenn KI zur Zumutung wird
Zugegeben: Auch Menschen liefern manchmal schlechte Antworten. Aber von einer KI, die Milliarden verschlingt und mit Buzzwords wie multimodal und GPT-4o jongliert, erwartet man mehr als bloße Rechenleistung mit Fehlermeldung. Man erwartet – zu Recht – Verlässlichkeit.
Doch was bekommt man stattdessen?
- Kein Undo bei Datenverlust.
- Keine durchsuchbare Chat-Historie.
- Keine Support-Struktur für zahlende Plus-Nutzer.
„Toll wäre, Elemente im Chat löschen zu können. Oder eine Suchfunktion!“
(Bewertung vom 5. Juni 2025)
Diese Wünsche stammen nicht aus einem Nerd-Forum. Sondern aus dem ganz realen App Store. Von Menschen, die einfach nur mit der App arbeiten oder lernen oder leben wollen. Die Nutzenden sind längst bereit, KI in ihren Alltag zu integrieren – die App ist es offensichtlich nicht.
Was folgt: Das große KI-Paradox
Je intelligenter die Systeme werden, desto weniger Fehler werden ihnen verziehen. Und das ist ein gutes Zeichen. Es zeigt: Wir nehmen diese Technik ernst. Wir erwarten, dass sie hält, was sie verspricht. Und wir hören nicht auf, laut zu sein, wenn sie versagt.
Denn eine kaputte KI ist kein Bug – sie ist ein gesellschaftliches Ereignis.