Second-Hand ist das bessere Konsumverhalten. Oder? Gebraucht kaufen heißt, Ressourcen schonen, Abfall vermeiden, die Umwelt retten – so die Erzählung. Flohmärkte, Vinted, Kleinanzeigen: Alles gute Taten, verpackt in stylische Outfits mit Retro-Flair und Nachhaltigkeitssiegel. Aber was, wenn das Gegenteil stimmt? Was, wenn Second-Hand heute nicht mehr Bremse, sondern Treiber von Fast Fashion ist?

Konsum bleibt Konsum – auch wenn er nach Erdbeermarmelade riecht

Egal ob H&M oder Humana – am Ende kaufen wir. Und kaufen wir viel, verändern wir etwas: die Nachfrage. Auch wenn wir „nur“ gebraucht kaufen, halten wir am Prinzip fest, ständig etwas anderes zu wollen, ständig neu, ständig aktuell. Der Konsum-Impuls bleibt derselbe, das schlechte Gewissen wird nur moralisch verpackt.

Der Flohmarkt der 90er war Resteverwertung. Die Flohmärkte von heute (oder TikTok-Hauls von Vinted) sind Shoppingtrips mit gutem Gewissen. Wer sich fünf Teile bestellt, um drei wieder zu verkaufen, ist nicht nachhaltig – sondern clever im System.

„Ich kauf das, das kann ich ja wieder verkaufen“ – ein moderner Konsum-Mythos

Second-Hand-Käufe wirken oft wie Entschuldigungen. Wer ein Kleid von Zara oder Bershka kauft, denkt vielleicht nicht: „Das ist für immer.“ Sondern: „Zur Not krieg ich’s ja wieder los.“ Der Gedanke, dass Mode weiterverkauft werden kann, senkt die Schwelle zum Kauf.

Ein bisschen wie beim Fliegen: „Das Flugzeug fliegt doch auch ohne mich“. Klingt bequem, ist aber Quatsch.

Nachfrage – egal wo – sorgt für Bewegung am Markt. Und wenn bestimmte Marken gebraucht stark nachgefragt sind, steigt auch ihre Produktion. Vinted funktioniert nicht im luftleeren Raum. Es hängt mit Zalando, Shein und Co. zusammen wie die Rückseite einer Medaille.

Der psychologische Trick: Nachhaltig shoppen, ohne sich einzuschränken

Der Reiz des Second-Hand-Booms liegt auch darin, dass man sich nicht einschränken muss. Man kann „nachhaltig“ konsumieren und dabei trotzdem oft shoppen. Und das wird vom System belohnt: Plattformen gamifizieren das Verkaufen, Käufer:innen sammeln Likes und Bewertungen, Hauls bringen Reichweite auf TikTok.

Second Hand wird so zu einer Art „Freikarte“ für Konsum. Keine Kapitalismuskritik, sondern Kapitalismus mit gutem Gewissen. Nur halt in Beige und mit Vintage-Filter.

Gibt es Auswege? Oder ist das einfach der neue Normalzustand?

Natürlich ist nicht jede:r Second-Hand-Käufer:in ein Fast-Fashion-Fan im grünen Mantel. Es gibt bewusste Entscheidungen, echte Notwendigkeit, persönliche Gründe. Aber der Trend zeigt: Die Erzählung von Nachhaltigkeit braucht Ehrlichkeit.

Wer weniger kauft, tut mehr für die Umwelt als jemand, der viel kauft – egal ob neu oder gebraucht.

Second-Hand ist nicht das Problem. Aber die Illusion, dass es per se besser ist, kann eins werden.

Vielleicht müssen wir neu lernen, was es heißt, „gebraucht“ zu denken – und nicht nur zu kaufen. Weniger Plattform, mehr Prinzip. Weniger Kreislauf, mehr Stopp-Taste.

Adorno hätte wohl gesagt: „Die Illusion des moralischen Konsums ist selbst ein Teil der Kulturindustrie – sie beruhigt das Gewissen, ohne die Logik des Kapitals zu durchbrechen.“

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