Ein Arzt, der für Gesundheit steht. Ein bekanntes Gesicht aus dem Fernsehen. Und plötzlich: Moringa-Kapseln im TikTok-Shop. Mit genau diesem Bild – aber ohne Zustimmung, ohne Wissen, ohne Wahrheit. Willkommen in der Welt der Deepfakes.
Was klingt wie eine düstere Zukunftsvision, ist längst Realität. Zwei prominente Beispiele aus Deutschland zeigen, wie perfide die Masche funktioniert. Und während Plattformen wie TikTok kaum reagieren, will ein kleines Land in Europa jetzt Geschichte schreiben: Dänemark plant ein Gesetz, das jedem Menschen das Recht auf die eigene digitale Identität gibt – und setzt damit ein Signal, das weit über die Landesgrenzen hinausreicht.
Erst Dr. Weigl, dann Dr. Riedl – und morgen vielleicht du?
Anfang Juli berichteten wir über ein TikTok-Profil, das sich als Dr. Tobias Weigl ausgab. Die Videos wirkten professionell: Der Arzt erklärt typische Beschwerden, gibt einfache Tipps – und empfiehlt am Ende Nahrungsergänzungsmittel. Doch der Mann im Video war nicht echt. Es war ein Deepfake. Stimme, Gesicht, Körpersprache – alles durch KI nachgebaut.
Wir kontaktierten den echten Dr. Weigl. Gemeinsam meldeten wir den Account – und TikTok reagierte. Der Kanal wurde gelöscht. Doch kaum war das erledigt, tauchte der nächste Fall auf: Dr. Matthias Riedl, bekannt von den „Ernährungsdocs“ im NDR, wurde auf ähnliche Weise missbraucht. Diesmal über das Konto @dr.germany01.
Die Clips? Nahezu identisch. Die Sätze? Wiederholt sich wie aus einer Maschine:
„Wenn du morgens keinen Hunger hast – Cortisol!“
„Wenn du nachts aufwachst – Cortisol!“
„Wenn du Schulterschmerzen hast – Cortisol!“
Lösung? Natürlich ein Produkt – direkt im TikTok-Shop.
Ein strukturiertes Netzwerk aus Fake-Ärzten?
Bei genauerem Hinsehen wird klar: Das sind keine Einzelfälle. Unter dem Label „drgermany“ kursieren mehrere Accounts mit ähnlichen Inhalten. Mal ein computergeneriertes Gesicht, mal ein echter Mensch, der nicht weiß, dass er geklont wurde. Die Struktur wirkt systematisch:
- gleiche Skripte,
- gleiche Gestik,
- wiederholter Produkthinweis,
- hohe Followerzahlen, aber kaum Interaktion – was auf gekaufte Reichweite oder automatisierte Push-Kampagnen hindeutet.
Ziel ist offensichtlich: Vertrauen erschleichen, um Produkte zu verkaufen.
Und das funktioniert – denn viele Nutzer*innen hinterfragen solche Clips nicht. Ein Arzt wirkt glaubwürdig. Eine bekannte Stimme erzeugt Nähe. Und TikTok selbst belohnt virale Inhalte mit Reichweite.
Was sagt das Gesetz dazu?
Tja – genau hier liegt das Problem: Unser Recht ist zu langsam für diese Form von Täuschung.
In Deutschland gibt es zwar das Recht am eigenen Bild (§ 22 KUG), das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, Strafvorschriften gegen üble Nachrede oder Betrug. Doch Deepfakes sind ein neues Feld. Wer sie erstellt? Oft nicht nachvollziehbar. Wer haftet? Schwierig zu klären. Und Plattformen wie TikTok haben zwar Community-Richtlinien, reagieren aber meist nur auf Druck – und oft zu spät.
Wer heute Opfer wird, muss selbst beweisen, dass er manipuliert wurde. Und das kostet Zeit, Geld und Nerven. Währenddessen ist das Fake-Video längst geteilt, gespeichert, weiterverbreitet.
Dänemark geht voran – mit einem radikalen Gesetzesvorschlag
Während Deutschland noch diskutiert, hat Dänemark einen konkreten Plan: Ein Gesetz, das jeder Person ein einklagbares Recht auf Gesicht, Stimme und Körper im digitalen Raum gibt.
Kernpunkte des Vorschlags:
- Wer per KI gefälscht wird (Video, Audio, Bild), kann Löschung und Schadensersatz fordern.
- Plattformen, die solche Inhalte nicht löschen, müssen mit hohen Strafen rechnen.
- Ausnahmen gelten nur für klar erkennbare Satire.
- Ziel ist es, das Gesetz noch 2025 zu verabschieden – und 2026 in die EU zu bringen, wenn Dänemark die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt.
Ein echter Gamechanger, sagen viele Expert*innen. Denn es würde den digitalen Körper juristisch schützen – so wie das Urheberrecht heute ein Foto oder ein Lied schützt.
Warum das so wichtig ist
Dr. Riedl steht seit Jahrzehnten für seriöse Gesundheitsaufklärung. Wenn so jemand plötzlich als KI-Werbefigur missbraucht wird, gerät mehr ins Wanken als nur ein Ruf. Es geht um die Vertrauensbasis zwischen Ärzt*innen und Öffentlichkeit. Um Wahrheit im Netz. Um Schutz der eigenen Identität.
Wenn Deepfakes Gesichter und Stimmen beliebig manipulieren können, brauchen wir klare Regeln. Und zwar schnell.
Was du tun kannst – jetzt sofort
📌 Fake-Profil melden:
Auf TikTok → „…“ → „Melden“ → „Jemand gibt sich als jemand anders aus“
📌 Nicht interagieren:
Kein Like, kein Kommentar – sonst belohnst du das System
📌 Andere aufklären:
Sprich mit Familie und Freunden, teile seriöse Berichte
📌 Druck machen:
Fordere echte Regeln, unterstütze Initiativen für KI-Schutzrechte
Fazit: Wer dich kopiert, soll dafür haften
Wir brauchen mehr Schutz, mehr Kontrolle – und mehr Verantwortung auf Seiten der Plattformen. Was mit Dr. Weigl begann, geht mit Dr. Riedl weiter. Und hört nicht auf, solange wir die Spielregeln nicht ändern.
Dänemark zeigt, wie’s geht. Vielleicht sollten wir uns ein Beispiel nehmen. Denn dein Gesicht gehört dir – egal, was TikTok dazu meint.
Zum Bericht über Dr. Riedl auf TikTok und zum Beitrag über Dr. Weigl: Klon-Krise auf TikTok: Wie ein Deepfake-Doc das Vertrauen in echte Ärzte gefährdet
Was meinst du? Ist das der richtige Weg – oder braucht es noch mehr? Schreib uns deine Meinung in die Kommentare.



