Du tippst „Nicht interessiert“. Endlich weg mit dem Mist, denkst du. Doch TikTok reagiert nicht mit Ruhe, sondern mit einem Formular: „Hilf uns, deinen Feed zu verbessern“. Darunter tauchen bunte Buttons auf wie „Show less of“, „Creator*in woistlena“, „Sound: Originalton – woistlena“, „Hashtag goat“ oder „Hashtag woistlena“. Und dann noch der Block „Ich fand diesen Inhalt: Sich wiederholend · Werbelastig · Unangemessen · Irreführend“, plus der rote Knopf „Einreichen“.
Das sieht aus wie Kontrolle. In Wahrheit bist du Teil eines Experiments: Der tiktok algo will wissen, wie du reagierst – nicht was du willst.
„Nicht interessiert“ ist kein Hammer, sondern ein Post-it
Die Illusion: Du sagst Nein, TikTok hört.
Die Realität: Dein Klick ist kaum mehr als eine höfliche Notiz. Negative Signale sind in der Gewichtung des Algorithmus fast bedeutungslos. Ein Like, ein Kommentar oder ein kompletter View zählen zigfach stärker. Du kannst zehnmal „Nicht interessiert“ drücken – das System testet weiter, ob du’s nicht vielleicht doch magst. TikTok nennt das „Exploration“. Du nennst es wahrscheinlich „Nervig“.
Das erklärt, warum du selbst nach wochenlangem Wegdrücken dieselben Themen wieder siehst. Der Algo ist kein Türsteher, er ist ein Forscher. Er wirft dir Content hin, beobachtet deine Reaktion und zieht Schlüsse. Wenn du also ein Video zu 80 % ansiehst, bevor du „Nicht interessiert“ tippst, gewinnt die Watchtime gegen dein Nein.
Das Feedback-Fenster ist kein Service, sondern ein Trainingslager
Die Wörter auf dem Bildschirm verraten, wie TikTok denkt.
„Show less of“ klingt wie Hilfe, ist aber eine Art Labeling-Aufgabe: Du markierst, welche Kategorie das Video bedient – Creator, Sound, Hashtag. Damit lieferst du Mikro-Daten für den Algorithmus, der sich daran weiter optimiert. Du wirst zur unbezahlten Sortierkraft in einem System, das dich gleichzeitig weiter mit Müll füttert.
Und die vier Buttons „Sich wiederholend“, „Werbelastig“, „Unangemessen“, „Irreführend“?
Sie blockieren nichts. Sie klassifizieren. Der tiktok algo versteht sie als „weniger davon“, nie als „nie wieder“.
Warum du trotzdem denselben Kram siehst
- Engagement schlägt Abneigung. Jeder Wimpernschlag länger auf dem Screen ist ein Ja, egal wie du’s meinst.
- Trend-Übergewicht. Wenn weltweit „labubu“ oder „unboxing“ durch die Decke geht, bekommst du’s auch serviert.
- Semantische Nähe. Sagst du „weniger woistlena“, kriegst du stattdessen „fast-woistlena“: gleicher Sound, andere Frisur.
- Shop-Shift. Seit TikTok Shop über alles steht, gilt Werbung nicht mehr als Störung, sondern als Content.
TikTok ignoriert dein Nein nicht aus Bosheit, sondern aus Berechnung. Dein Widerspruch ist schlicht ein zu schwaches Datensignal.
Der zweite Screenshot zeigt es noch deutlicher
Ein anderer Creator, andere Hashtags: „maxchromatica“, „labubu“, „unboxing“, „funkopop“, „mysterybox“.
Obendrauf steht diesmal „Personalisierung aus“. Klingt nach Datenschutz, stimmt aber nicht.
Das heißt nur: TikTok gleicht deine Daten nicht mit anderen Apps ab. Innerhalb der Plattform läuft der Algorithmus munter weiter.
Selbst ohne Personalisierung bist du gläsern – TikTok analysiert Watchtime, Pausen, Ton, Text, Sprache, Ort, sogar Akku-Level.
Die Wahrheit: TikTok will kein Feedback, sondern Feinsignale
Jeder Klick auf „Einreichen“ ist ein Mini-Datenpaket. Kein Befehl, keine Sperre.
TikTok registriert, was du wegdrückst, wann du’s tust, und wie lange du vorher gezögert hast. Das System lernt nicht: „Er mag das nicht.“
Es lernt: „Bei diesem Thema reagiert er ambivalent – testen wir’s später noch mal anders.“
Das ist kein Bug. Das ist Feintuning.
Und was kannst du dagegen tun?
Mach’s wie ein Wissenschaftler im Selbstversuch.
Verhalte dich so extrem, dass der tiktok algo gezwungen ist, neu zu lernen.
- Skip radikal. Unter zwei Sekunden pro No-Video. Kein Blick, kein Ton.
- Feed aktiv kuratieren. Folge gezielt, was du magst. Gib dem System starke, positive Kontraste.
- Mute alles Nervige. Der Sound ist oft das entscheidende Merkmal.
- Stichworte abwürgen. Tippe störende Hashtags an und drücke dort erneut „weniger davon“.
- Neu anfangen. Cache löschen, Feed neu aufbauen.
- Keine Wut-Scrolls. Jeder Hate-View füttert das Biest.
Fazit: TikTok fragt „Warum?“ – aber nur, um dich besser zu lesen
Dieses Fenster mit Creator*in woistlena, Sound: Originalton – woistlena, Hashtag goat, Sich wiederholend, Werbelastig, Unangemessen, Irreführend ist kein Support-Tool.
Es ist UX-Kosmetik für ein Überwachungssystem, das du selbst mittrainierst.
TikTok misst, vergleicht, testet – du klickst, schaust, scrollst.
Am Ende weiß der tiktok algo mehr über dein Verhalten, als du über deinen eigenen Geschmack.
Wer also passiv hofft, bleibt im Datenmatsch.
Wer aktiv gegensteuert, kann sich langsam freischaufeln – Klick für Klick, Swipe für Swipe.
Und vielleicht taucht dann doch wieder das, was du eigentlich wolltest, auf:
ein Hund auf einem Skateboard. Ohne „Hilf uns, deinen Feed zu verbessern“.



