Japan hat genug von der Macht der großen Plattformen. Während Europa sich noch durch juristische Fußnoten kämpft, macht Tokio Nägel mit Köpfen. Die japanische Fair Trade Commission (JFTC) zwingt Apple und Google dazu, ihre App-Stores zu öffnen – und zwar richtig. Keine halben Lösungen, keine Sondergenehmigungen, sondern echte Konkurrenz. Das neue Gesetz soll ab 2026 gelten und könnte den globalen Markt aufmischen.
Bislang bestimmten Apple und Google, wer in ihre Stores darf, welche Apps zugelassen werden und wie viel dabei verdient wird. Bis zu 30 Prozent Provision flossen an die Betreiber, jede App musste durch einen internen Prüfprozess. Japan dreht das Verhältnis jetzt um: Künftig dürfen Drittanbieter eigene App-Stores anbieten, die auf iPhones und Android-Geräten gleichberechtigt laufen. Auch alternative Zahlungsmethoden sollen erlaubt sein, ohne dass Apple oder Google automatisch mitkassieren.
Das Ziel ist klar – mehr Auswahl und fairere Bedingungen für Entwickler und Nutzer. Und ja, das klingt nach einem bürokratischen Detail, ist aber in Wahrheit ein digitaler Umsturz. Denn bislang war der Zugang zum mobilen Markt ein Nadelöhr: Zwei US-Konzerne entschieden, was installiert werden darf und wie es funktioniert. Jetzt öffnet sich dieses System – zumindest in Japan – für neue Ideen, neue Geschäftsmodelle und vielleicht sogar günstigere Preise.
Europa öffnet, aber mit angezogener Handbremse
Wer denkt, das sei nichts Neues, hat recht – zumindest teilweise. In der Europäischen Union gilt seit März 2024 der Digital Markets Act (DMA), der Apple verpflichtet, auch andere App-Stores zuzulassen. Nur: Was auf dem Papier nach Freiheit klingt, ist in der Praxis eine kontrollierte Öffnung. Jede App muss weiterhin von Apple „notarisiert“ werden, es fällt eine zusätzliche „Core Technology Fee“ pro Download an, und sensible Systemfunktionen wie NFC oder Face ID bleiben blockiert. Apple kontrolliert also weiter – nur eben mit einem Lächeln und einem Formular mehr.
Japan geht deutlich weiter. Dort sollen Dritt-Stores ohne Genehmigung funktionieren. Keine doppelten Prüfungen, keine versteckten Gebühren, keine künstlichen Hürden. Ein echtes offenes System, wie es Entwickler seit Jahren fordern. Für die Nutzer bedeutet das: mehr Wahlfreiheit und weniger Zwang, sich an eine Plattform zu binden.
Google gerät unter Druck
Während Apple sich über juristische Auflagen ärgert, steckt Google in einem eigenen Sturm. Der Konzern hat im Oktober 2025 weltweit eine neue Entwickler-Registrierungspflicht eingeführt. Wer im Play Store veröffentlichen will, muss künftig eine verifizierte Unternehmens- oder Personenidentität nachweisen. Offiziell geht es um Sicherheit, inoffiziell aber um Kontrolle. Kleine Studios beschweren sich, dass die neuen Regeln den Einstieg erheblich erschweren und unabhängige Entwickler ausbremsen.
Gleichzeitig läuft noch der juristische Nachhall des Epic-Games-Prozesses, der Google vorwarf, den Wettbewerb im App-Markt systematisch zu behindern. Das Vertrauen der Entwicklergemeinde ist angekratzt, und genau in diesem Moment setzt Japan an: mit einem Regelwerk, das Fairness nicht verspricht, sondern erzwingt.
Warum das alles auch dich betrifft
Auf den ersten Blick scheint das weit weg. Aber wenn du ein Smartphone nutzt – egal ob iPhone oder Android – betrifft dich das direkt. App-Preise, Abos, Updates, Zahlungsoptionen, all das hängt an den Richtlinien dieser beiden Stores. Wenn sie sich öffnen müssen, entsteht Wettbewerb. Und wo Wettbewerb herrscht, sinken Preise, steigt Qualität und kommen endlich auch wieder neue Ideen.
Natürlich bleibt ein Restrisiko. Mehr App-Stores bedeuten mehr potenzielle Sicherheitslücken, mehr Anbieter mit zweifelhaften Absichten. Doch genau deshalb setzen die japanischen Regeln auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit statt auf Kontrolle durch Konzerne. Der Staat überwacht die Rahmenbedingungen – nicht Apple oder Google selbst.
Ein Signal für den Rest der Welt
Japan könnte damit zum Vorbild werden. Südkorea hat schon 2023 alternative Zahlungssysteme im App-Markt erlaubt, Europa zieht mit dem DMA langsam nach, und in den USA laufen gleich mehrere Kartellverfahren. Aber Japan zeigt, dass man die Machtfrage nicht endlos verhandeln muss – man kann sie einfach neu stellen.
Für uns Nutzer bedeutet das schlicht: mehr Freiheit. Die Freiheit, Apps dort zu laden, wo man will. Die Freiheit, zu entscheiden, wem man vertraut. Und die Freiheit, auch mal eine App zu entdecken, die sonst nie durch Apples oder Googles Nadelöhr gekommen wäre.
Die großen Plattformen werden das nicht kampflos hinnehmen. Aber der Druck wächst. Wenn selbst ein Land wie Japan, traditionell eher regulierungsfreundlich gegenüber Tech-Konzernen, so deutlich eingreift, ist das ein Zeichen. Vielleicht erleben wir gerade den Anfang vom Ende der App-Monopole.



