Wer das Thema hier regelmäßig verfolgt, hat es längst kapiert: Bei Duolingo läuft’s nicht mehr rund. Das neue funk-Video von „Was kostet die Welt?“ trägt nun die großen Linien nach, die wir schon seit Monaten besprechen – hübsch verpackt, sauber erzählt, aber eben nichts, was Kenner der Szene überrascht. Trotzdem lohnt ein kurzer Blick, schon weil der Beitrag einige Hintergrundinfos liefert, die beim nächsten Smalltalk an der Dönerbude sicher Eindruck machen.
Von Captchas bis zur Eule – die Wikipedia-Version der Legende
Das Video erzählt die ganze Gründungsstory von Chefentwickler Luis von Ahn, inklusive seiner früheren Erfindungen Captcha und reCaptcha. Das ist nett aufbereitet, wirkt aber wie direkt aus der Wikipedia-Fußnote vorgelesen. Spannend bleibt höchstens, wie sich aus diesen Mini-Ideen das Crowdsourcing-Prinzip entwickelte, das Duolingo später groß gemacht hat: Menschen tippen für lau, Firmen verdienen dran.
Auch die vier Bausteine des Erfolgs werden wieder aufgerollt – Gamification, Dauer-A/B-Tests, die Social-Media-Eule und das Freemium-Modell. Alles bekannt, alles längst dokumentiert. Interessant ist höchstens, dass funk den Spagat zwischen Bildungsmission und aggressiver Monetarisierung klarer benennt als sonstige Mainstream-Berichte.
Der Knall von 2025 – KI statt Menschen
Ab hier wird’s relevanter: Das Video beschreibt den Shitstorm nach der internen Mail von April 2025, in der Duolingo-Chef von Ahn ankündigte, Inhalte künftig verstärkt durch KI statt menschliche Redakteure zu erstellen. Wir hatten das schon seziert – von den fehlerhaften Übersetzungen bis zum Gefühl vieler Lernender, plötzlich nur noch Datenlieferanten zu sein.
Neu ist lediglich die nüchterne Bilanz: weniger aktive Nutzer, aber weiter steigende Umsätze. Der Clip betont sogar, dass Duolingo trotz Krise auf dem Weg zur Milliarde Umsatz sei. Für Anleger klingt das nach Erfolg, für Lernende nach Beweisstück A, dass Profit vor Pädagogik steht.
Warum das Video trotzdem wichtig ist
Weil es die Masse erreicht. Erst wenn ARD/ZDF-Formate das Thema aufgreifen, merken viele, dass diese App kein harmloses Lernspiel mehr ist, sondern ein datengetriebener Attention-Trader mit Bildungsetikett. Wer jetzt erst begreift, warum Herzen durch Energie ersetzt wurden und KI-Fehler keine Nebensache sind, bekommt hier wenigstens die kompakte Nachhilfestunde.
Mein Fazit
Für alle, die seit Monaten mitlesen: nichts Neues. Für den Rest der Republik: ein Weckruf. Duolingo bleibt ein Paradebeispiel, wie idealistische Bildungsziele im Laufe der Jahre vom Wachstumsdruck aufgefressen werden.
Vielleicht hilft das Video ja, dass beim nächsten Döner nicht nur über Fußball geredet wird, sondern jemand den Satz sagt:
„Wusstest du eigentlich, dass der Duolingo-Typ früher Captchas erfunden hat?“
Dann hätten wir wenigstens das erreicht.



