Das vierzigste Kind bekommt Melanie mit 21 bereits. Das ist natürlich völlig ihre private Angelegenheit, zumal sie alle 39 gut vorm TV parken kann. Robert hingegen fließt völlig ungelernt das komplette Kellerabteil im Wohnblock, ob das wohl der Vermieter gut findet? Oma Else ärgert sich über ihre dreijährigen Enkel, welche sie nicht nach Bali mitgenommen haben. Okay, das letzte Beispiel ist jetzt nicht so prägnant, da sich ältere Menschen eher über lange Kassenschlangen oder die Absetzung des Traumschiffs auf ZDF beschweren. Wer TikTok die Tage öffnet, wird sicher noch bessere Beispiele für den Wahnsinn finden. Den was? Wie keine andere Plattform vorher gelingt es den chinesischen Betreibern die Nutzer zu Engagement zu verleiden. Ein gefährlicher Trend, welcher wohl nicht mehr zu stoppen ist. Denn jeder ist auf TikTok fame und jeder möchte es von sich aus sein.
Jeder kann auf TikTok fame werden und nach zwei, drei aktiven Jahren auf der Plattform sind es viele auch schon geworden. Irgendwie. Accounts mit 50K oder 500K Followern sind keine Seltenheit mehr und Videos mit 1 Mio oder 5 Mio Views beinahe alltäglich. Die „technische Seite“ hinter diesem „Erfolg“ ist kein Geheimnis. Wir haben in unserem TikTok Guide hier zahlreiche Tipp-Beiträge, wie auch dir es gelingt „viral“ zu gehen oder auf der FY zu parken. Zeige Gesicht und andere Körperteile, präsentiere privateste Themen mit fragewürdiger Aussage oder provoziere und hooke einfach. Darum geht es hier jetzt nicht.
Das Leben eines Influencers. Spät aufstehen, da man die Nacht seiner Freizeit nachgegangen ist. Ob nun Party oder Playstation. Als Werbefigur wichtige Videos „drehen“ und vor allem ein gutes sorgenfreies Leben voller Fun. Die 2010er Hostessen haben dies auf YouTube vorgemacht. Analysiert wurde dies zur Genüge, etwa hier in diesem Buch „Die Ideologie der Werbekörper„. Nun gibt es aber eine neue Selbstlüge in der Stadt und die ist viel wirkungsvoller als es Instagram-Idiotie je sein konnte und das aufgrund nur eines anderen Verbreitungsprinzips der Clips: man braucht keine Follower, um viral zu gehen.
TikTok präsentiert die Zeit nach den Influencern von Instagram und YouTube. Während viele die Plattform als Fortsetzung des Trends sehen, geschah in Wirklichkeit ein Bruch. Nun kann wirklich jeder mit nur einem Clip und über Nacht plötzlich stadtbekannt werden, sodass die Lokalpresse über den Influencer berichtet.
Jeder ist Influencer, jeder kann es werden. Das hört sich wie ein Text von Kraftklub an. Ist aber Realität. Die Folge des eingelösten Versprechens des „Broadcast yourself“ ist, dass die Nutzer immer privatere Details posten, immer verrücktere Jokes machen. Denn auch sie müssen ihrer „Community“ natürlich etwas bieten. Wie damals die Influencer. Die Plattform freut sich über aktive Nutzer und viele Interaktionen, die Nutzer freuen sich über „tollen“ Content und viele Follower. Ein Win-Win-Szenario, wie man in der Unternehmensberatung in den 80er sagte. Eine schöne neue Welt, wie man es in der Literatur ausdrückte.
Wir hingegen fragen: Kommt da noch was nach den TikTok-Trends oder ist das jetzt schon der Scheitelpunkt?