Samsung hat ein KI Smartphone, Apple eine VR-Brille und Deutschland bekommt es noch immer nicht hin den Führerschein zu digitalisieren? Wo nahezu jedes Stück Papier seinen Weg in die virtuelle Welt findet, bleibt der deutsche Führerschein ein Relikt vergangener Tage – ein Fossil in einer Welt, die sich längst um Bits und Bytes dreht. Warum nur? Die Antwort ist ebenso komplex wie unterhaltsam und lässt einen manchmal zweifeln, ob das Drehbuch nicht aus der Feder eines zynischen Komödienschreibers stammt.
September 2021: Ein Monat, der in die Annalen der digitalen Misserfolge Deutschlands eingehen sollte. Andreas Scheuer, damals Verkehrsminister, präsentierte stolz die ID-Wallet-App, eine innovative Lösung, die den Führerschein ins digitale Zeitalter katapultieren sollte. Doch was als technologischer Meilenstein gedacht war, entpuppte sich schnell als digitaler Fehlstart. Sicherheitslücken gähnten weit, Server waren dem Ansturm nicht gewachsen, und ehe man sich versah, verschwand die App aus den virtuellen Regalen von Apple und Google, als wäre sie nie da gewesen.
Exkurs Deja-vu: Ein digitaler Stolperstein e-Rezept App
Das erinnert stark an die jüngsten Turbulenzen um die e-Rezept App und ihren Fehlstart, die noch immer mit vernichtenden Kritiken auf Google Play kämpft. Die Analogie ist frappierend: Beide Apps starteten mit dem Versprechen, unseren Alltag zu digitalisieren und zu vereinfachen. Doch beide scheiterten zunächst an den hohen Erwartungen und den Realitäten der technischen Umsetzung. Die Parallelen zur e-Rezept App, die mit Anmeldeproblemen, technischen Fehlern und einer als „völlig nutzlos“ beschriebenen Nutzererfahrung zu kämpfen hat, sind unübersehbar. Beide Fälle zeigen, dass der Sprung ins digitale Zeitalter nicht immer reibungslos verläuft. Nutzerfeedback, das von Frustration über mangelnde Unterstützung bis hin zur Unbrauchbarkeit der App reicht, deutet auf eine tiefere Herausforderung hin: Die Digitalisierung von Diensten, die traditionell offline angeboten werden, erfordert nicht nur technologische Expertise, sondern auch ein tiefes Verständnis für die Bedürfnisse und Erwartungen der Endnutzer.
Kapitel Oje – Die Geschichte des digitalen Führerscheins ist nicht beendet
Fast könnte man meinen, das Ganze sei ein Lehrstück darüber, wie man es nicht macht. Der ambitionierte Plan, Deutschland digital voranzubringen, scheiterte an der ersten Hürde: der Realität der IT-Infrastruktur und Sicherheit.
Doch das Bundesverkehrsministerium, unbeirrt von diesem Rückschlag, hielt an seiner Vision fest. In Fürth, einer Stadt, die scheinbar bereit war, sich als digitaler Phoenix aus der Asche zu erheben, wurde 2022 ein neuer Prototyp vorgestellt. Das Projekt ONCE, gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, sollte es diesmal richten. Mit der Unterstützung der Bundesdruckerei und einem Hauch von Optimismus verkündete man, dass die Datensicherheit nun höchste Priorität genieße.
Once war dabei nur eins von vier geförderten Projekten im Rahmen des hat mit dem „Schaufenster Sichere Digitale Identitäten“. Das Ziel dieses Projekts ist es, deutsche eIDAS-Lösungen zu fördern, die nutzerfreundlich, vertrauenswürdig und wirtschaftlich sind. Diese sollen die Verwaltung und Wirtschaft – insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) – sowie die Bevölkerung unterstützen. Diese großen Forschungs- und Entwicklungsprojekte, mit einer Laufzeit von in der Regel 36 Monaten, erproben in ausgewählten Modellregionen Deutschlands den Einsatz digitaler Identitäten in zahlreichen unterschiedlichen Bereichen wie kommunale Dienste, Mobilität, Bildung, Tourismus und Gastgewerbe, Handel und urbane Logistik, Sozial- und Gesundheitsdienste, Industrie 4.0, Emissionshandel sowie Banken und Versicherungen.
Die Herausforderung, die es zu überwinden galt war, dass keine der existierenden eID-Lösungen bisher die kritische Masse für eine breite Anwendung erreichen konnte (vgl. Verimi App). Durch enge Zusammenarbeit zwischen Technologieanbietern und Kommunen in sogenannten Schaufenstern soll dieses Ziel nun erreicht werden. Praktisch erprobt werden die Lösungen in zahlreichen Anwendungsfällen mit Alltagsrelevanz, um die Bürgerinnen und Bürger direkt in die Entwicklung der Lösungen einzubeziehen und einen hohen Grad an Interoperabilität zwischen verschiedenen Dienstleistern zu gewährleisten.
Die Ironie dabei: Während wir über die Einführung eines digitalen Führerscheins diskutieren, kann man in anderen Ländern bereits seit Jahren mit einem Wisch über das Smartphone seine Fahrerlaubnis vorzeigen. Deutschland hingegen experimentiert noch mit Prototypen und Reallaboren.
Wie geht es weiter mit dem digitalen Führerschein?
Aktuelle Informationen zum Projekt ONCE oder den Ergebnissen des digitalen Führerscheins nach Juni 2023 zu finden, gestaltet sich schwierig. Trotz intensiver Suche scheinen keine neuen Ergebnisse oder Updates öffentlich verfügbar zu sein. Es bleibt unklar, ob das Projekt erfolgreich abgeschlossen wurde oder welche Fortschritte erzielt wurden.
So bleibt uns nur zu hoffen, dass die nächste Iteration des digitalen Führerscheins nicht wieder ein Fall für die digitalen Annalen des Scheiterns wird. Vielleicht sollte das Ministerium beim nächsten Mal nicht nur einen Plan B, sondern gleich einen Plan C, D und E in der Hinterhand haben. Denn wie wir alle wissen: Die Hoffnung stirbt zuletzt – aber sie stirbt oft in den Händen der deutschen Bürokratie und Technikprobleme.
Die Ergebnisse der Schaufensterprojekte sind nicht nur für Deutschland von Bedeutung, sondern fließen auch in den europäischen Prozess zur Weiterentwicklung und Umsetzung der eIDAS-Regulierung ein, mit dem Ziel, EU-weit nutzbare digitale Identitäten zu schaffen. Damit wird eine wichtige Grundlage für die Digitalisierung der Verwaltungs- und Wirtschaftsprozesse in Europa gelegt.
Ein Kommentar
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